Nahezu jeder Erbfall bringt neben der Trauer, um den Verlust eines geliebten Menschen auch Streit in die Familie. Jedenfalls dann, wenn der oder die Verstorbene nicht vermögenslos waren, sondern etwas zu erben gibt. Gibt es kein Testament, dann ist der Streit aufgrund der gesetzlichen Erbfolge vorprogrammiert, jedenfalls dann, wenn nicht nur eine Person gesetzlicher Erbe ist. Gibt es dagegen ein Testament oder einen Erbvertrag, in dem die Verteilung des Nachlasses nicht bis ins letzte Detail durchdacht und geregelt ist, kann auch zwischen den Miterbenstreit entstehen. Ist dagegen die Verfügung von Todes wegen so verfasst worden, dass ein Pflichtteilsberechtigter von der Erbfolge ausgeschlossen wird, dann ist meist ein Streit unvermeidlich, weil der Gesetzgeber dem Pflichtteilsberechtigten mit einer Reihe von Rechten ausgestattet hat, die nicht nur sofort nach Eintritt des Erbfalls geltend gemacht werden können, sondern die auch eine aktive Mitwirkung des Erben verlangen, also Arbeit, aber auch Kosten verursachen. Im nachfolgenden Artikel erfahren Sie, was Sie rund um den Pflichtteil wissen müssen.
Was bedeutet „enterbt“ zu sein?
Wer in einem Testament oder Erbvertrag ausdrücklich ausgeschlossen oder schlicht nicht bedacht wurde, ist enterbt. Das bedeutet, dass diese Person unabhängig von ihrer familiären Stellung zum Erblasser nicht Erbe wird und somit keinen Anspruch auf Beteiligung am Nachlass im Wege der Erbfolge hat. Die Enterbung kann ausdrücklich (z. B. „Meine Tochter erhält nichts“) oder konkludent erfolgen, etwa indem jemand anderes als Alleinerbe eingesetzt wird, ohne weitere Regelungen.
Wer hat trotz Enterbung Anspruch auf einen Pflichtteil?
Trotz Enterbung steht bestimmten nahen Angehörigen ein gesetzlich garantierter Pflichtteil zu. Hierbei handelt es sich um:
- die Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkel usw.),
- den Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartner,
- sowie – wenn keine Abkömmlinge vorhanden sind – die Eltern des Erblassers.
Der Pflichtteilsanspruch besteht immer in Geld und beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils gemäß § 2303 BGB.
Welche Rechte stehen dem Pflichtteilsberechtigten zu?
Der Pflichtteilsberechtigte kann folgende Rechte gegenüber dem Erben geltend machen:
1. Auskunftsanspruch
Nach § 2314 BGB hat der Pflichtteilsberechtigte einen Anspruch auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses. Der Erbe ist verpflichtet, ein vollständiges und geordnetes Nachlassverzeichnis vorzulegen, auf Wunsch auch in notarieller Form. Auch Schenkungen, die der Erblasser zu Lebzeiten vorgenommen hat, sind mitzuteilen.
2. Wertermittlung
Der Pflichtteilsberechtigte kann verlangen, dass bestimmte Nachlassgegenstände – etwa Immobilien, Unternehmen oder Kunstwerke – sachverständig bewertet werden. Die Kosten für die Wertermittlung trägt regelmäßig der Nachlass (also die Erbengemeinschaft), sofern die Bewertung erforderlich war. Am Ende wird allerdings der Pflichtteilsberechtigte mit seiner Quote daran beteiligt, weil es sich um eine Nachlassverbindlichkeit handelt, die also bei der Ermittlung des Reinnachlasses als Abzugsposten zu berücksichtigen ist.
3. Zahlung des Pflichtteils
Steht der Nachlasswert fest, hat der Pflichtteilsberechtigte Anspruch auf Auszahlung des Pflichtteils. Dieser Anspruch richtet sich direkt gegen den Erben und ist als reiner Geldanspruch durchsetzbar.
4. Pflichtteilsergänzungsanspruch
Hat der Erblasser innerhalb der letzten zehn Jahre vor seinem Tod Schenkungen gemacht, so können diese zur Ergänzung des Pflichtteils herangezogen werden (§ 2325 BGB). Die Schenkung wird dabei fiktiv dem Nachlass hinzugerechnet, wobei ein jährlich fallender Abschlag nach dem sogenannten Abschmelzungsmodell erfolgt. Bei Schenkungen an den Ehegatten findet eine solche Abschmelzung nicht statt.
Wann ist der Pflichtteilsanspruch fällig?
Der Pflichtteilsanspruch entsteht mit dem Erbfall, also dem Tod des Erblassers, und wird grundsätzlich sofort fällig. Eine Zahlungsfrist von ca. 3 bis 4 Wochen wird als angemessen angesehen.
Ab wann sind Pflichtteilsansprüche zu verzinsen?
Gemäß § 288 BGB sind Geldforderungen ab dem Zeitpunkt der Mahnung mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Um die Verzugsfolgen herbeizuführen, sind Pflichtteilsberechtigte daher gut beraten, schriftlich vom Erben unter Fristsetzung den Pflichtteil zu verlangen. Mit Ablauf der Frist tritt Verzug ein. Dies bedeutet, dass ab diesem Zeitpunkt zusätzlich Verzugszinsen zu bezahlen sind.
Wer trägt die Kosten des außergerichtlichen anwaltlichen Aufforderungsschreibens?
Ist der Erbe innerhalb der gesetzten Frist seiner Verpflichtung nicht nachgekommen und befindet sich deshalb in Verzug, so muss er auch die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Pflichtteilsberechtigten übernehmen, die entstehen, wenn dieser nun eine Anwaltskanzlei mit der Durchsetzung der Pflichtteilsansprüche beauftragt hat. Von daher sind Pflichtteilsberechtigte gut beraten zunächst selbst dem Erben eine Frist zur Erfüllung ihrer Ansprüche zu setzen, bevor sie ihrerseits anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen.
Wann verjähren Pflichtteilsansprüche?
Der Pflichtteilsanspruch unterliegt der regelmäßigen Verjährung gemäß § 195 BGB. Die Frist beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Pflichtteilsberechtigte von der Enterbung und der Person des Erben Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen (§ 199 BGB). Absolute Verjährungsgrenze ist 30 Jahre nach dem Erbfall.
Wie kann der Pflichtteilsanspruch gerichtlich geltend gemacht werden?
Kommt es außergerichtlich zu keiner Einigung, bleibt der Weg über die Zivilgerichte. Klageziel ist regelmäßig die Zahlung des Pflichtteilsbetrags. In vielen Fällen wird der Pflichtteilsanspruch im Wege einer Stufenklage geltend gemacht – zunächst auf Auskunft und Wertermittlung, dann auf Zahlung. Das spart Zeit und Kosten, insbesondere wenn der Nachlasswert zu Beginn unklar ist.
Fazit
Auch wer enterbt wurde, ist keineswegs rechtlos: Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche stellen ein starkes Instrument zum Schutz naher Angehöriger dar. Der Erbe ist umfassend zur Auskunft, Wertermittlung und Zahlung verpflichtet. Wer zu lange zögert, riskiert jedoch die Verjährung seiner Ansprüche. Eine frühzeitige anwaltliche Beratung hilft, die eigenen Rechte konsequent durchzusetzen – oder, aus Sicht des Erben, unberechtigte Forderungen abzuwehren.
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