Mit der zunehmenden Digitalisierung und der wachsenden Bedeutung von Blockchain-Technologie stellt sich auch im Arbeitsrecht die Frage, ob die Zahlung von Arbeitsentgelt in Kryptowährungen zulässig ist. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat hierzu mit Urteil vom 16. April 2025 – 10 AZR 80/24 eine wegweisende Entscheidung getroffen. Im Zentrum stand die Frage, ob ein Provisionsanspruch in der Kryptowährung Ether (ETH) wirksam erfüllt werden kann. Der Beitrag beleuchtet die Rechtslage, die Anforderungen nach der Gewerbeordnung (GewO) und die rechtlichen Grenzen der Lohnzahlung in Kryptowährungen.
Die Entscheidung des BAG im Überblick
Im Ausgangsfall hatte ein Unternehmen, das unter anderem mit Kryptowährungen handelt, einer Mitarbeiterin vertraglich eine Provision in Ether (ETH) zugesagt. Die Berechnung erfolgte in Euro, die Umrechnung in ETH sollte zum letzten Tag des Folgemonats erfolgen. Die Klägerin machte 19,194 ETH geltend. Die Arbeitgeberin verweigerte die Übertragung der Tokens und zahlte stattdessen im Dezember 2021 einen Geldbetrag in Euro aus.
Das BAG stellte klar, dass die Übertragung von Kryptowährungen als Teil des Arbeitsentgelts möglich ist – jedoch nur unter engen Voraussetzungen. Entscheidend ist, ob es sich bei der Kryptowährung um einen Sachbezug im Sinne von § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO handelt und ob dies objektiv im Interesse des Arbeitnehmers liegt. In diesem Fall könne eine Vereinbarung über die Vergütung in Ether grundsätzlich wirksam sein.
Keine Zahlung „in Geld“ nach § 107 Abs. 1 GewO
Nach § 107 Abs. 1 GewO ist das Arbeitsentgelt grundsätzlich in Euro zu zahlen. Kryptowährungen stellen keine gesetzliche Währung dar und erfüllen daher nicht die Voraussetzungen dieser Vorschrift. Das BAG macht jedoch deutlich: Ein Verstoß gegen diese Regelung liegt dann nicht vor, wenn die Vergütung in Kryptowährung ausdrücklich und wirksam als Sachbezug vereinbart wurde.
Sachbezug und objektives Arbeitnehmerinteresse
Der § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO erlaubt es, Sachbezüge als Teil der Vergütung zu vereinbaren, wenn dies dem objektiven Interesse des Arbeitnehmers dient. Eine einseitige Festlegung durch den Arbeitgeber ist unzulässig. Das BAG hat in der konkreten Konstellation die Ether-Übertragung als Sachbezug anerkannt, da der Arbeitnehmer ein Wallet bereitstellte und ausdrücklich diese Form der Vergütung verlangte. Das arbeitsvertragliche Interesse wurde somit bejaht.
Pfändbarkeit und Schutz des Existenzminimums
Ein zentraler Punkt ist § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO: Der Wert der vereinbarten Sachbezüge darf das pfändbare Einkommen nicht übersteigen. Dem Arbeitnehmer muss stets ein Betrag in Euro verbleiben, der dem unpfändbaren Einkommen gemäß §§ 850 ff. ZPO entspricht. Ziel ist es, den Lebensunterhalt zu sichern, ohne dass der Arbeitnehmer Krypto-Coins erst zu Geld machen oder staatliche Leistungen beantragen muss. Ein Verstoß gegen diese Regelung führt zur teilweisen Nichtigkeit der Vereinbarung über den Sachbezug.
Rechtliche Bewertung und praktische Implikationen
Das Urteil des BAG schafft eine rechtliche Grundlage für die Vergütung in Kryptowährungen, allerdings unter strengen Bedingungen. Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass:
- die Vereinbarung über Kryptowährung als Arbeitslohn vertraglich eindeutig geregelt ist,
- die Vergütung im objektiven Interesse des Arbeitnehmers liegt,
- der unpfändbare Anteil des Arbeitslohns stets in Euro ausgezahlt wird,
- die Abrechnung transparent und nachvollziehbar erfolgt.
Fehlt es an einer klaren arbeitsvertraglichen Grundlage oder wird gegen die Pfändungsgrenzen verstoßen, ist die Vereinbarung zumindest teilweise unwirksam. Arbeitgeber, die auf eine „moderne“ Entlohnung mit Kryptowährungen setzen möchten, sind daher gut beraten, arbeitsrechtliche Expertise einzuholen.
Fazit: Kryptowährung als Provisionsanspruch – Zukunftsmodell mit rechtlichem Rahmen
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts bringt Licht in ein bislang ungeklärtes Feld des Arbeitsrechts. Die Zahlung von Provisionen oder Boni in Kryptowährungen wie Ether (ETH) ist grundsätzlich möglich, wenn sie als Sachbezug vereinbart und bestimmte Schutzvorschriften beachtet werden. Das Arbeitsrecht bleibt damit nicht hinter den technischen Entwicklungen zurück, sondern bietet mit § 107 GewO einen flexiblen Rahmen. Dennoch ist Vorsicht geboten: Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass solche Regelungen juristisch sauber ausgestaltet sind und nicht gegen zwingendes Schutzrecht – insbesondere zum Pfändungsschutz – verstoßen. Für Arbeitnehmer bietet sich dagegen die Chance, an der Entwicklung digitaler Vermögenswerte teilzuhaben – sofern dies im konkreten Fall sinnvoll und wirtschaftlich tragfähig ist.
Wir beraten Sie gerne, wenn Sie Fragen zur arbeitsvertraglichen Gestaltung von Bonuszahlungen in Kryptowährungen haben oder prüfen möchten, ob bestehende Vereinbarungen wirksam sind. Nehmen Sie Kontakt mit unserer Kanzlei auf – wir begleiten Sie sicher durch die rechtlichen Herausforderungen der digitalen Arbeitswelt.