Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen hat mit Urteil vom 28. Februar 2025 (Az. 14 SLa 578/24) eine wegweisende Entscheidung getroffen, die die arbeitsrechtliche Stellung abberufener Geschäftsführer neu definiert. Demnach kann ein ehemaliger Geschäftsführer, dessen Organstellung zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs bereits beendet war, den allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) in Anspruch nehmen.
1. Hintergrund und Sachverhalt
Im zugrunde liegenden Fall war der Kläger zunächst als Geschäftsführer einer GmbH tätig. Nach seiner Abberufung wurde ein Nachfolger ins Handelsregister eingetragen, und der Kläger wurde im Unternehmen als „Special Project Manager“ geführt. Trotz Bemühungen des Arbeitgebers konnte keine anderweitige vertragsgemäße Beschäftigung für den Kläger gefunden werden, weshalb ihm schließlich gekündigt wurde.
Das Arbeitsgericht Darmstadt wies die Kündigungsschutzklage des Klägers ab und argumentierte, dass der besondere Status eines Geschäftsführers ihn grundsätzlich vom allgemeinen Kündigungsschutz ausschließe – selbst wenn die Organstellung zum Zeitpunkt der Kündigung nicht mehr bestand.
2. Entscheidung des LAG Hessen
Das LAG Hessen hob die Entscheidung des Arbeitsgerichts auf und stellte klar, dass der allgemeine Kündigungsschutz gemäß § 1 Abs. 2 KSchG für den Kläger gilt. Maßgeblich sei allein der Zeitpunkt des Kündigungszugangs: Da der Kläger zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft war, greife der Ausschluss nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht mehr.
Das Gericht betonte, dass der Ausschluss des Kündigungsschutzes nur für Personen gilt, die im Zeitpunkt der Kündigung tatsächlich Arbeitgeberfunktionen ausüben. Mit der Abberufung und der Eintragung des Nachfolgers im Handelsregister sei die Organstellung des Klägers wirksam beendet worden, sodass er rechtlich wieder als Arbeitnehmer anzusehen sei.
3. Bedeutung für die Praxis
Für Arbeitgeber:
Unternehmen müssen künftig sorgfältig prüfen, ob ein abberufener Geschäftsführer zum Zeitpunkt der Kündigung noch als Organvertreter tätig ist. Ist dies nicht der Fall, kann der allgemeine Kündigungsschutz greifen – mit den entsprechenden Anforderungen an die soziale Rechtfertigung.
Für Geschäftsführer:
Ehemalige Geschäftsführer sollten ihre arbeitsrechtliche Stellung nach der Abberufung genau prüfen. Wenn sie in den „Arbeitnehmerstatus“ zurückgekehrt sind, kann eine Kündigungsschutzklage auf Grundlage von § 1 KSchG aussichtsreich sein.
4. Fazit
Das Urteil des LAG Hessen stärkt die Rechte abberufener Geschäftsführer und schafft ein Stück mehr Rechtssicherheit: Wer zum Zeitpunkt der Kündigung nicht mehr Geschäftsführer ist, fällt grundsätzlich unter den allgemeinen Kündigungsschutz des KSchG. Der bloße Umstand, dass ein Anstellungsvertrag einst mit einer Organstellung verknüpft war, ändert daran nichts.
Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde zugelassen. Eine höchstrichterliche Entscheidung dürfte in naher Zukunft folgen und könnte die Position von abberufenen Geschäftsführern weiter festigen.