Der Erblasser, ein Landwirt, hat in seinem Testament seine 3 Kinder, einen Sohn und 2 Töchter, zu seinen Nacherbinnen bestimmt. Vorerbin war seine Ehefrau. Für den Nacherbfall hatte er geregelt, dass sein Sohn den Hof „zu einer nicht überhöhten Last“ übernehmen soll. Die testamentarische Verfügung stammt aus dem Jahr 1961, der Erblasser ist im Jahr 1999 verstorben. Über die Auslegung der Verfügung wird mittlerweile bald 25 Jahre prozessiert. Zunächst war der Sohn der Auffassung, da ansonsten kein wesentlicher Nachlass vorhanden ist, dass das Testament so zu verstehen sei, dass er allein Erbe geworden ist. Dem teilte das Landgericht München II und das OLG München eine Absage. Danach wollte eine der Schwestern den Hof im Wege der Teilungsversteigerung verwerten. Auch dem erteilte das Landgericht München II und das OLG München wiederum eine Absage, weil sie der Auffassung waren, der Erblasser habe in seinem Testament zugunsten des Sohnes ein Vorausvermächtnis verfügt, dass eine Teilungsversteigerung entgegenstünde. Wer nun meint, damit wäre alles klar, er hat die Rechnung ohne die Justiz gemacht, denn dort ist nunmehr seit über 8 Jahren beim Landgericht München II ein Rechtsstreit anhängig, mit dem der Sohn auf Erfüllung seines Vermächtnisses klagt. Wie das Leben so spielt wurde diejenige Schwester, die zunächst die Teilungsversteigerung durchführen wollte und jetzt beklagt ist, dement, sodass ihre beiden Söhne in den Rechtsstreit involviert wurden. Nunmehr sind diese selbst Partei des Verfahrens, weil ihre Mutter zwischenzeitlich verstorben ist und von Ihnen Kraft gesetzliche Erbfolge beerbt worden ist. Während der begünstigte Erbe geltend macht, es liege ein sogenanntes Vorausvermächtnis im Sinne des § 2150 BGB vor, vertritt das Landgericht München II zuletzt die Auffassung, es handle sich, anders als eine andere Kammer des Landgerichts München II und das OLG zuvor entschieden hatten, ist die nur mit der Angelegenheit befasste Kammer des Landgerichts München II der Auffassung, dass er sich nach seiner Auffassung nicht um ein Vorausvermächtnis, sondern um eine bloße Teilungsanordnung nach § 2048 BGB handeln würde und das Gericht auch nicht durch die anderslautende Auffassung der Richter im Rahmen der Teilungsversteigerung gebunden sei. Diese rechtliche Einordnung hat entscheidende Auswirkungen: Sie entscheidet darüber, ob der begünstigte Erbe einen einklagbaren Anspruch auf Übertragung des Hofes hat – oder ob sein Anspruch insoweit ins Leere läuft und er nun im Rahmen eines weiteren Verfahrens auf die Genehmigung eines Teilungsplans klagen muss.
Dieser Fall zeigt nicht nur exemplarisch, wie gravierend sich unklare testamentarische Formulierungen auf die Abwicklung eines Nachlasses auswirken können, sondern auch von welchen Zufälligkeiten Gerichtsentscheidungen abhängen. Besonders absurd wird es, wenn man berücksichtigt, dass die nun mit der Angelegenheit befasste Kammer sich 8 Jahre Zeit gelassen hat, um die testamentarische Regelung in die eine oder andere Richtung auszulegen. Doch worin genau liegt der Unterschied zwischen einem Vorausvermächtnis und einer Teilungsanordnung? Wir sagen Ihnen, was Sie dazu, gleichgültig ob Sie ein Testament errichten möchten oder aber in einem Testament bedacht worden sind, dazu wissen müssen.
Was ist ein Vorausvermächtnis?
Das Vorausvermächtnis ist ein Rechtsinstitut des deutschen Erbrechts, geregelt in § 2150 BGB. Es liegt vor, wenn ein Erblasser einem seiner Erben zusätzlich zu dessen Erbteil einen bestimmten Gegenstand oder Vorteil zuwendet – „mit Voraus“. Anders als beim gewöhnlichen Vermächtnis nach § 1939 BGB, das an einen außenstehenden Dritten geht, richtet sich das Vorausvermächtnis an einen Miterben und bleibt außerhalb der Erbquote unberücksichtigt. Der Vorteil wird also „zusätzlich“ zum Erbteil gewährt.
Wichtig ist: Das Vorausvermächtnis begründet einen schuldrechtlichen Anspruch des Begünstigten gegen die Erbengemeinschaft. Es ist damit durchsetzbar, auch gegen den Willen der anderen Erben.
Was ist eine Teilungsanordnung?
Demgegenüber regelt die Teilungsanordnung nach § 2048 BGB lediglich, wie der Nachlass unter den Erben aufzuteilen ist. Der Erblasser kann also bestimmen, dass bestimmte Nachlassgegenstände auf bestimmte Erben entfallen sollen. Im Unterschied zum Vorausvermächtnis bleibt der Wert des zugewiesenen Gegenstands bei der Erbquote des Begünstigten jedoch unberücksichtigt – gegebenenfalls muss er die Zuweisung ausgleichen, wenn der zugewiesene Wert über seine Erbquote hinausgeht.
Bei einer Teilungsanordnung fehlt es am Gestaltungsrecht: Der Erbe erhält den Gegenstand nur, wenn dies im Rahmen der Erbquote möglich ist oder wenn ein entsprechender Ausgleich erfolgt. Die Teilungsanordnung verschafft also keine eigenständige Rechtsposition – sie ist bloß ein Instrument zur Strukturierung der Erbauseinandersetzung.
Die Abgrenzung: Vorausvermächtnis oder Teilungsanordnung?
Die Abgrenzung ist nicht immer einfach – besonders dann nicht, wenn der Erblasser sich nicht eindeutig ausgedrückt hat. Entscheidend ist stets der tatsächliche Wille des Erblassers, der durch Auslegung der letztwilligen Verfügung zu ermitteln ist (§ 133 BGB, § 2084 BGB).
Kriterien zur Abgrenzung:
- Zuwendung „zusätzlich“ zur Erbquote: Ja bei Vorausvermächtnis, nein bei Teilungsanordnung
- Anspruch gegen die Erbengemeinschaft: Ja bei Vorausvermächtnis, nein bei Teilungsanordnung
- Gestaltungsrecht (z. B. Annahme der Zuwendung): Ja nur beim Vorausvermächtnis
- Ausgleichspflicht unter Miterben: Nein bei Vorausvermächtnis, ja bei Teilungsanordnung
- Ziel der Regelung: Begünstigung (Vorausvermächtnis) vs. Strukturierung der Erbauseinandersetzung (Teilungsanordnung)
Im landwirtschaftlichen Bereich – wie im Fall des Bauernhofs – wird die Abgrenzung oft dadurch erschwert, dass in ländlichen Testamenten häufig der Begriff „Hofübernehmer“ auftaucht, ohne dass klar ist, ob damit eine bevorzugte Erbfolge oder nur eine formale Zuweisung gemeint ist. Hinweise wie „nicht überhöhte Last“ oder „zu einem tragbaren Wert“ deuten hingegen auf eine begünstigende Regelung hin, da der Übernehmer nicht den Verkehrswert ausgleichen muss. Ein Kriterium für die Abgrenzung ist dies allerdings nicht, weil in § 2049 BGB eine wiederum geregelt ist, dass auch bei einer Teilungsanordnung, wenn es um die Übertragung eines Landgut es geht (so wird im Juristendeutsch ein Bauernhof genannt), im Zweifel eine Bewertung nach dem Ertragswert und nicht nach dem Verkehrswert zu erfolgen hat. ne testamentarische Zuweisung eines Hofes „ohne Ausgleichspflicht“ typischerweise ein Vorausvermächtnis darstellt.
Warum klare Formulierungen im Testament entscheidend sind
Der geschilderte Fall – in dem ein Gericht nach über acht Jahren Verfahren plötzlich die Auslegung der Verfügung wechselt – zeigt eindrucksvoll, wie wichtig rechtssichere und eindeutige Formulierungen in Testamenten sind. Gerade im landwirtschaftlichen Bereich, wo es um Betriebe mit erheblichem wirtschaftlichem und familiärem Wert geht, können missverständliche oder lückenhafte Verfügungen zu jahrelangen Streitigkeiten führen.
Erblasser sollten daher beim Abfassen letztwilliger Verfügungen fachkundige Beratung in Anspruch nehmen – insbesondere wenn es um die Nachfolge in landwirtschaftlichen Betrieben oder um Sonderregelungen für bestimmte Nachlassgegenstände geht.
Fazit
Ob ein Hofübernehmer durch ein Vorausvermächtnis oder eine Teilungsanordnung bedacht wird, ist keine bloße Frage der Begrifflichkeit, sondern hat erhebliche rechtliche und wirtschaftliche Konsequenzen. Ein Vorausvermächtnis verschafft dem Erben einen einklagbaren Anspruch, während eine Teilungsanordnung lediglich die Nachlassverteilung organisiert. Die Unterscheidung ist oft schwierig – aber entscheidend.
Um langwierige Erbstreitigkeiten zu vermeiden, sollten Erblasser eindeutige Regelungen treffen. Insbesondere im landwirtschaftlichen Bereich empfiehlt es sich, die Übertragung des Hofs klar als Vorausvermächtnis oder Teilungsanordnung zu kennzeichnen und die Bedingungen (z. B. „nicht überhöhte Last“) rechtssicher zu formulieren.