Während der Corona-Pandemie waren die Soforthilfen des Freistaats Bayern ein zentrales Instrument zur wirtschaftlichen Überbrückung für Solo-Selbstständige, kleine Unternehmen und Freiberufler. Nun, mehrere Jahre nach Auszahlung, sehen sich viele Empfänger mit Rückforderungsbescheiden konfrontiert – oft unter Verweis auf eine vermeintliche „Überkompensation“. Doch in vielen Fällen besteht ein Anspruch auf einen vollständigen oder teilweisen Erlass der Rückforderung. Was gilt konkret in Bayern?
1. Rechtsgrundlagen: Rücknahme, Widerruf und Erlass
Die Verwaltung in Bayern stützt Rückforderungsentscheidungen auf die
Art. 48 und 49 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG). Dabei geht es entweder um die Rücknahme eines rechtswidrigen oder um den Widerruf eines rechtmäßigen Bewilligungsbescheids. In der Praxis berufen sich Behörden wie die IHK für München und Oberbayern in ihren Bescheiden meist auf Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG.
Gleichzeitig eröffnet Art. 59 Abs. 1 Nr. 3 BayHO die Möglichkeit, auf die Rückforderung zu verzichten, wenn dies aus Gründen der Billigkeit geboten erscheint. Dies betrifft vor allem Solo-Selbstständige, bei denen eine wirtschaftliche Notlage vorliegt.
2. Vertrauen und Verwirkung: Was wurde kommuniziert – und wann?
Die Rückforderung wird in vielen Fällen dadurch problematisch, dass die damalige Verwaltungspraxis und politische Kommunikation in Bayern klar darauf abzielten, Vertrauen in die Endgültigkeit der Bewilligungen zu schaffen. So sagte etwa der damalige Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger am 30. März 2020:
„[…] dann gibt es für bis zu 5 Mitarbeiter 9.000 €, für bis zu 10 Mitarbeiter 15.000 € […] an Soforthilfe, die nicht zurückbezahlt werden muss.“
Auch Ministerpräsident Markus Söder erklärte im Bayerischen Landtag am 19. März 2020:
„[…] Sie erhalten eine schnelle unbürokratische Soforthilfe von bis zu 30.000 €, die nicht zurückgezahlt werden muss. Es ist kein Kredit.“
Diese Aussagen, kombiniert mit einer behördlichen Kommunikation bis 2022, wonach ein Rückmeldeverfahren in Bayern „nicht vorgesehen“ sei, führten bei vielen Empfängern zu einem berechtigten Vertrauen auf den Bestand der Soforthilfe. Dieses Vertrauen ist rechtlich geschützt – insbesondere nach
Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG – und kann einer späteren Rückforderung entgegenstehen.
Zudem kann ein Rückforderungsrecht bei jahrelanger Untätigkeit der Verwaltung verwirkt sein. Das Bundesverwaltungsgericht sowie mehrere Verwaltungsgerichte, etwa das VG Würzburg (Urt. v. 13.01.2025 – W 8 K 24.641), verlangen, dass Zeit- und Umstandsmomente der Verwirkung sorgfältig geprüft werden.
3. Wann ist ein Erlass zwingend zu gewähren?
Die Verwaltungsvorschrift Nr. 3.4 zu Art. 59 BayHO konkretisiert, wann ein Erlass aus Billigkeitsgründen in Betracht kommt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn:
- sich der Empfänger der Soforthilfe in einer unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage befindet,
- die Rückforderung seine Existenz gefährden würde,
- und die laufenden Einkünfte unterhalb der Pfändungsfreigrenze gemäß
§ 850c ZPO liegen.
Nach der derzeit geltenden Pfändungstabelle (Stand 2023) beträgt diese Grenze für Alleinstehende rund 1.402 €/Monat. Wer – wie viele Solo-Selbstständige – darunter liegt, erfüllt regelmäßig die Voraussetzungen für einen vollständigen Erlass.
Ein solcher Fall lag z. B. bei einer Mandantin vor, die als Webdesignerin seit 2020 Rückgänge von über 50 % hinnehmen musste. Ihre Einkommensteuerbescheide wiesen für die Jahre 2021–2023 Gewinne unter 10.000 € aus. Dennoch wurde der Erlassantrag von der Bewilligungsstelle der IHK mit einem pauschalen Hinweis auf „fehlende besondere Gründe“ abgelehnt – ein rechtswidriger Ermessensausfall, wie ihn auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 21. Februar 2025 (BayVGH – 21 ZB 24.514) gerügt hat.
4. Was bedeutet das für betroffene Unternehmerinnen und Unternehmer in Bayern?
Wenn Sie in Bayern einen Rückforderungsbescheid erhalten haben, sollten Sie prüfen (lassen), ob
- die Rücknahme formell und materiell rechtmäßig war,
- die Verwaltung eine ordnungsgemäße Anhörung vorgenommen hat,
- Ihre wirtschaftliche Lage für einen Billigkeitserlass spricht.
Gerade in Fällen, in denen keine nennenswerten Rücklagen vorhanden sind und die Soforthilfe unmittelbar zur Begleichung von Miete, Versicherungen oder Betriebsausgaben eingesetzt wurde, ist ein vollständiger Verzicht auf die Rückforderung rechtlich geboten.
Fazit
Die Rückforderung von Corona-Soforthilfen in Bayern ist kein Automatismus. Sie setzt eine präzise und individuelle Prüfung voraus – sowohl was die Rechtmäßigkeit des Ausgangsbescheids betrifft als auch die wirtschaftliche Lage der Empfänger. Wer in Existenznot gerät, kann sich auf Vertrauensschutz, Verwirkung und vor allem auf das Haushaltsrecht des Freistaats Bayern stützen. Die Erfolgsaussichten im Widerspruchs- oder Klageverfahren stehen in vielen Fällen gut – sofern die Argumentation substanzhaltig und gut dokumentiert ist.
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