In den Sommermonaten steigen nicht nur die Außentemperaturen, sondern häufig auch die Belastung am Arbeitsplatz. Klimaanlagen fehlen, die Sonne heizt durch große Fensterflächen, und der Kreislauf vieler Beschäftigter spielt nicht mehr mit. Doch was ist eigentlich zumutbar? Ab wann müssen Arbeitgeber eingreifen? Und welche Rechte haben Arbeitnehmer, wenn das Thermometer im Büro über 30 Grad klettert? Dieser Beitrag gibt einen fundierten Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen, die aktuelle Rechtsprechung und praktische Handlungsempfehlungen, damit Unternehmen gut durch die nächste Hitzewelle kommen – rechtssicher und verantwortungsbewusst.
1. Gesetzlicher Rahmen
Arbeitgeber sind nach § 4 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass gesundheitliche Gefährdungen für Beschäftigte vermieden oder minimiert werden. Konkretisiert wird dies durch die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) sowie die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR A3.5 – Raumtemperatur).
Die EU-Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie 89/391/EWG legt die europaweite Basis, die durch das ArbSchG und die ASR in nationales Recht umgesetzt wurde.
2. Temperatur-Grenzwerte & Pflichten
→ Bis 26 °C Raumtemperatur:
Sobald die Raumtemperatur 26 °C erreicht, besteht eine Sollpflicht: Arbeitgeber müssen geeignete Maßnahmen prüfen und umsetzen.
→ Zwischen 26 °C und 30 °C:
Ab 26 °C ist der Arbeitgeber verpflichtet, Schutzmaßnahmen zu treffen – etwa Sonnenschutz, Lüftung, Getränke, lockere Kleiderordnung.
→ Ab 30 °C:
Maßnahmen werden zwingend. Dazu zählen:
- effektiver Sonnenschutz (Jalousien, Rollos),
- Nacht- oder Frühlüftung,
- Reduktion innerer Wärmequellen (z. B. Drucker ausschalten),
- Gleitzeitregelung oder veränderte Arbeitszeiten,
- Bereitstellung kühler Getränke.
→ Über 35 °C:
Arbeitsplätze werden ungeeignet – es dürfen nur technische oder organisatorische Hilfsmittel (z. B. Luftduschen, Entwärmungsphasen, spezielle Kleidung) genutzt werden, um die Arbeit weiterhin zu sichern. Ohne solche Schutzmaßnahmen ist Arbeiten in diesen Räumen nicht erlaubt.
3. Technische, organisatorische & persönliche Maßnahmen
Arbeitgeber müssen ein abgestuftes Maßnahmenpaket bereitstellen:
Technisch:
Sonnenschutzsysteme, Ventilatoren, mobile Klimageräte. Klimaanlagen sind jedoch kein Pflichtinstrument.
Organisatorisch:
Arbeitszeitverlagerung (z. B. früherer Arbeitsbeginn), verlängerte Pausen, Gleitzeit, Verzicht auf hitzeintensive Maschinen.
Persönlich:
Lockerung der Kleiderordnung, Getränkeversorgung, Pausen zum Abkühlen.
4. Kontrolle & Sanktionen
Zuständig für die Kontrolle sind die Gewerbeaufsichtsämter. Sie können verbindliche Anordnungen erlassen und Bußgelder von bis zu 5.000 € verhängen. Vorsätzliche Gesundheitsschäden können sogar strafrechtlich geahndet werden – mit bis zu einem Jahr Haft ginge es in Richtung fahrlässiger Körperverletzung.
Eine Missachtung der Fürsorgepflicht gemäß § 618 BGB in Verbindung mit § 4 ArbSchG und der Arbeitsstättenverordnung stellt zudem einen gravierenden Verstoß gegen arbeitsrechtliche Mindestpflichten dar.
5. Mitarbeiterrechte & was fehlt
- Kein allgemeiner Anspruch auf Hitzefrei: Weder bei 30 °C noch bei 35 °C sind Beschäftigte automatisch freigestellt. Es gilt: Arbeiten erlaubt, Schutzmaßnahmen vorgeschrieben.
- Krankschreibung bei Gesundheitsgefahren: Sind Arbeitnehmer gesundheitlich betroffen (z. B. Kreislaufkollaps), kann eine Krankmeldung gerechtfertigt sein – ggf. ärztlich zu bescheinigen.
- Home-Office-Sonderfall: Bei Telearbeit greift das Arbeitsschutzrecht auch zu Hause – der Arbeitgeber ist verantwortlich. Beim mobilen Arbeiten – etwa im Café oder Park – trägt der Arbeitnehmer die Verantwortung selbst.
6. Praxisempfehlungen für Arbeitgeber
- Führen Sie zeitnah eine Gefährdungsbeurteilung durch – auch digital unterstützt nach § 5 ArbSchG.
- Richten Sie ein Hitze-Aktionsverfahren ein, analog zu früheren Hygienekonzepten: klare Verantwortlichkeiten, dokumentierte Maßnahmen, Kommunikationsplan.
- Schulen Sie Führungskräfte und Mitarbeitende in hitzebedingten Gesundheitsrisiken.
- Lassen Sie sich bei Bedarf durch Betriebsärzte und Berufsgenossenschaften beraten – Vorsicht schützt im Zweifel vor Bußgeldern.
7. Praxisbeispiel für einen Ablaufplan
- Frühlüftung von 6–8 Uhr, evtl. Fenster automatisch zeitgesteuert.
- Sonnenschutz aktivieren vor Arbeitsbeginn und während des Tages.
- Temperaturkontrolle alle 2 Stunden, dokumentieren.
- Bei ≥26 °C: Extra Getränke, lockere Kleidung gestatten.
- Bei ≥30 °C: Gleitzeit anbieten, technische Wärmequellen reduzieren, Ventilatoren einsetzen.
- >35 °C: Einsatz von Luftduschen oder Arbeitsverlagerung in kühlere Räume.
Fazit
Arbeitgeber sind an heißen Sommertagen gesetzlich verpflichtet, für eine gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur zu sorgen. Ab 26 °C müssen erste Schutzmaßnahmen geprüft und ggf. ergriffen werden, ab 30 °C sind diese zwingend erforderlich. Überschreitet die Temperatur 35 °C, darf ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen nicht mehr gearbeitet werden. Ein pauschales „Hitzefrei“ gibt es nicht – Arbeitnehmer sind jedoch nicht schutzlos. Wer unter der Hitze leidet, kann sich krankschreiben lassen oder die Umsetzung von Schutzmaßnahmen verlangen. Arbeitgeber sollten rechtzeitig reagieren – nicht nur um Bußgelder zu vermeiden, sondern auch im eigenen Interesse eines gesunden und leistungsfähigen Teams.
Unsere Empfehlung: Erstellen Sie ein verbindliches Hitzeschutzkonzept für Ihr Unternehmen. Gern beraten wir Sie individuell und rechtssicher.