Stellen Sie sich vor, Sie sind Mieter einer Wohnung in einer deutschen Großstadt – sagen wir München, genauer gesagt: Schwabing. Sie haben dort eine Wohnung angemietet, weil Sie unter Zeitdruck standen und der Vermieter clever kalkuliert hat zahlen Sie 40 € pro Quadratmeter, obwohl es sich ausdrücklich nicht um eine Luxuswohnung handelt. Nur wenige Monate nach Beginn des Mietverhältnisses hängt plötzlich ein Aushang der Stadtwerke im Treppenhaus: Die Fernwärmeversorgung wird ab sofort eingestellt – der Vermieter ist mit den Zahlungen in Verzug. Die Konsequenz für Sie: keine Heizung, kein warmes Wasser – also eiskalte Duschen am Morgen und vielleicht auch am Abend. Sie denken, so etwas kommt nicht vor? Irrtum. In der Juristerei gilt: Nichts ist ausgeschlossen.
1. Die Rechtslage: Was schuldet der Vermieter?
1.1 Gebrauchsgewährung (§ 535 BGB)
Nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB ist der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache zu ermöglichen. Dazu gehört zwingend auch die Versorgung mit Wärme und Warmwasser. Wird diese Versorgung unterbrochen, liegt ein erheblicher Mangel vor. Dabei ist es unerheblich, ob der Vermieter die Unterbrechung aktiv veranlasst oder sie infolge seiner Pflichtverletzung – etwa wegen nicht bezahlter Rechnungen – durch den Versorger erfolgt.
1.2 Pflicht zur Instandhaltung
Diese Pflicht umfasst nicht nur bauliche Mängel, sondern auch die Aufrechterhaltung der funktionierenden Versorgung mit Fernwärme, Strom, Wasser und Warmwasser. Ein Vermieter, der diese nicht sichert, verletzt eine seiner zentralen mietvertraglichen Verpflichtungen.
2. Rechte des Mieters im Überblick
2. Rechte des Mieters im Überblick
Maßnahme | Rechtsgrundlage | Wirkung |
---|---|---|
Mietminderung | § 536 BGB | Minderung der Miete bis zu 100 % bei Totalausfall möglich |
Ersatzvornahme + Kostenerstattung | § 536a Abs. 2 BGB | Heizgeräte selbst anschaffen – notwendige Kosten erstattungsfähig |
Schadensersatz | § 536a Abs. 1 BGB | Bei konkreten Schäden z. B. durch Hotelkosten oder Gesundheitsschäden |
Außerordentliche Kündigung | § 543 BGB | Möglich bei schwerwiegender Beeinträchtigung und Fristablauf |
Einstweiliger Rechtsschutz | § 940 ZPO | Gerichtliche Verpflichtung zur Wiederherstellung im Eilverfahren |
Wohnungsaufsicht einschalten | Kommunalrecht | Städtische Anordnung zur Wiederherstellung der Versorgung möglich |
3. Die Mietminderung: Wie viel ist angemessen?
Ein vollständiger Ausfall der Heizungs- und Warmwasserversorgung stellt einen gravierenden Mangel dar, der Mietminderungen von 70 % bis 100 % rechtfertigen kann – insbesondere während der Heizperiode (01.10. bis 30.04.).
Bereits ein Ausfall des Warmwassers allein rechtfertigt Minderungen von 10–15 %. Maßgeblich ist, ob es dem Mieter noch möglich ist, die Wohnung bestimmungsgemäß zu nutzen. Bei Raumtemperaturen unter 20 °C sind Minderungsansprüche regelmäßig gegeben.
Die Minderung tritt kraft Gesetzes ein – sie muss nicht angekündigt werden, sollte aber zur Dokumentation und Beweissicherung gegenüber dem Vermieter angezeigt werden.
4. Ersatzvornahme: Heizgeräte selbst anschaffen
Hat der Mieter den Mangel angezeigt und dem Vermieter eine angemessene Frist zur Beseitigung gesetzt, darf er nach deren Ablauf den Mangel selbst beheben und die notwendigen Aufwendungen ersetzt verlangen (§ 536a Abs. 2 BGB).
Das bedeutet konkret:
- Elektrische Heizlüfter oder Radiatoren anschaffen
- Warmwasserbereitung ggf. durch Boiler oder ähnliche Geräte
- Dokumentation der Anschaffungs- und Betriebskosten
Diese Kosten sind dem Vermieter im Nachgang in Rechnung zu stellen – idealerweise nach Ankündigung und Fristsetzung.
5. Informationsrechte und Verhalten gegenüber dem Energieversorger
Auch wenn kein eigenes Vertragsverhältnis zwischen Mieter und Stadtwerken besteht, kann der Mieter beim Vermieter Einsicht in die Versorgungsverträge und Zahlungsnachweise verlangen – zumindest im Rahmen der sekundären Darlegungslast, um sein Minderungsrecht durchsetzen zu können.
Zahlungen an den Energieversorger auf eigene Faust sind riskant und sollten nur in enger Abstimmung mit anwaltlicher Beratung erfolgen – insbesondere dann, wenn damit ein Rückforderungsanspruch gegenüber dem Vermieter geltend gemacht werden soll.
6. Behörden einschalten: Wohnraumschutz in der Praxis
In vielen Kommunen, insbesondere in Großstädten wie München, existieren wohnungsaufsichtsrechtliche Vorschriften, die es der Stadt ermöglichen, gegen den Vermieter vorzugehen, wenn Mindestanforderungen an den Wohnraum nicht eingehalten werden.
In München ist das Kreisverwaltungsreferat zuständig. Die Behörde kann:
- Anordnungen zur Wiederherstellung der Versorgung treffen
- Zwangsgelder verhängen
- Bei fortgesetztem Verstoß Bußgeldverfahren einleiten
Ein schriftlicher Hinweis an die Behörde kann zur Verbesserung der Situation beitragen – insbesondere dann, wenn mehrere Mieter betroffen sind.
7. Kündigung bei unzumutbarem Zustand
Bleibt der Zustand untragbar – z. B. weil der Vermieter sich dauerhaft weigert, die Versorgung wiederherzustellen – kann der Mieter gemäß § 543 BGB außerordentlich kündigen.
Voraussetzungen:
- Mangel erheblich
- Fristsetzung zur Beseitigung erfolglos
- Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses
Die Kündigung muss schriftlich erfolgen und kann sofort oder zum nächstmöglichen Zeitpunkt ausgesprochen werden.
8. Was passiert im Insolvenzfall des Vermieters?
Wenn der Vermieter – etwa eine GmbH – insolvent wird, bleibt der Mietvertrag zunächst bestehen (§ 108 InsO). Der Insolvenzverwalter tritt an seine Stelle. Problematisch ist aber die Erfüllung laufender Verpflichtungen wie etwa der Begleichung der Stadtwerkerechnungen.
Zudem besteht das Risiko, dass die Mietkaution, wenn sie nicht insolvenzsicher angelegt wurde, verloren geht. In einem solchen Fall wird sie zur einfachen Insolvenzforderung – mit regelmäßig niedriger Quote.
Auch deshalb ist es wichtig, den Nachweis über die korrekte Kautionsanlage frühzeitig schriftlich einzufordern (§ 551 Abs. 3 BGB).
Fazit
Wenn der Vermieter seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Stadtwerken nicht nachkommt und die Wärmeversorgung Ihrer Wohnung dadurch eingestellt wird, geraten Sie als Mieter in eine prekäre Lage. Doch das Gesetz stellt Ihnen eine ganze Reihe von Instrumenten zur Seite: von der Mietminderung über Ersatzvornahme bis hin zur Kündigung. Auch die Einschaltung der kommunalen Wohnungsaufsicht kann helfen. Wichtig ist, dass Sie rasch, rechtssicher und dokumentiert handeln. Lassen Sie sich im Zweifel anwaltlich beraten – insbesondere dann, wenn hohe Mieten gezahlt, Rechte systematisch verletzt oder strukturelle Probleme bestehen.
In unserer Kanzlei beraten wir Sie umfassend zu allen Fragen des Mietrechts – von der Mängelanzeige bis zur Geltendmachung Ihrer Ansprüche. Denn niemand muss in eiskalten Wohnungen leben – auch dann nicht, wenn der Vermieter seinen Pflichten nicht nachkommt.