Marianne Huber (Name geändert) geriet zunächst in Panik, als sie bemerkt hatte, dass sich in einem Rollladenkasten ihrer Immobilie ein Wespenschwarm niedergelassen hatte. Eine kurze Suche bei Google brachte sie zu einer Firma, die damit warb, im Großraum München auf die Entfernung von Wespen spezialisiert zu sein und die schnelle Hilfe zusagte.
Ärgerlich war bereits, dass der angekündigte Mitarbeiter, der ursprünglich für den Nachmittag avisiert war, erst gegen 20:00 Uhr erschien. Noch ärgerlicher: Nach einer nur wenige Minuten dauernden Tätigkeit präsentierte er Marianne Huber auf einem Tablet eine Rechnung über 4.068,63 € und forderte sofortige Zahlung, entweder in bar oder per EC-Karte. Weil das Auftreten des Mannes vor Ort auf die alleinlebende Seniorin bedrückend und einschüchternd wirkte, zahlte sie widerwillig mit ihrer EC-Karte – immerhin war das Tageslimit auf 2.000 € begrenzt.
Erst später, beim Blick auf die schriftliche Rechnung und Mahnung über den noch offenen Restbetrag, wurde klar: Der Rechnungssteller war nicht die Firma, die online mit „regionaler Hilfe im Großraum München“ geworben hatte, sondern ein bislang völlig unbekannter Einzelunternehmer mit Sitz in Dirmstein (Rheinland-Pfalz). Marianne Huber war einem perfiden Geschäftsmodell zum Opfer gefallen – und ist damit leider nicht allein.
Abzocke bei Notdiensten – ein strukturelles Problem
Der Fall von Frau Huber steht exemplarisch für eine zunehmend häufige Masche dubioser Notdienstanbieter, die sich vor allem in Bereichen wie Schlüsselnotdienst, Rohrreinigung oder Schädlingsbekämpfung beobachten lässt:
- Irreführende Internetwerbung mit vermeintlich lokalen Telefonnummern oder Sitz in der Region
- Tatsächlicher Einsatz überregional agierender Subunternehmer ohne Vorabinformation
- Fehlende Preistransparenz vor Durchführung der Arbeiten
- Völlig überhöhte Rechnungsbeträge
- Psychologischer Druck zur sofortigen Zahlung
Die Opfer – oft ältere Menschen in tatsächlicher oder empfundener Not – sehen sich unter Zugzwang, zahlen unter Druck, und bemerken erst im Nachhinein die unseriöse Struktur des Geschäftsmodells.
Was ist eine Wespennest-Entfernung tatsächlich wert?
Für die Entfernung eines Wespennests verlangen seriöse Schädlingsbekämpfungsunternehmen in aller Regel:
- zwischen 100 € und 250 € bei normalem Aufwand
- gelegentlich bis zu 300 €, wenn z. B. eine Hebebühne erforderlich ist
- ein Aufschlag bei Notfalleinsätzen außerhalb der regulären Geschäftszeiten
Selbst bei einem Notdiensteinsatz am Abend wären die von Frau Huber gezahlten 2.000 € – geschweige denn über 4.000 € – nicht im Ansatz gerechtfertigt.
Rechtliche Bewertung: Wann ist eine Rechnung sittenwidrig oder sogar strafbar?
§ 138 BGB – Sittenwidrigkeit
Ein Vertrag ist nichtig, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht – also ein Preis gefordert wird, der mehr als doppelt so hoch ist wie der übliche Marktpreis.
§ 123 BGB – Anfechtung wegen arglistiger Täuschung
Wird der Kunde über die Identität des Vertragspartners oder den Preis getäuscht, ist eine Anfechtung des Vertrags wegen Täuschung möglich.
§ 812 BGB – Herausgabeanspruch
Wenn der Vertrag nicht wirksam ist, kann die Zahlung über einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zurückgefordert werden.
§ 291 StGB – Wucher und § 263 StGB – Betrug
Wer eine Zwangslage ausnutzt und drastisch überhöhte Preise verlangt, kann sich strafbar machen. Dies hat der BGH in seinem Urteil vom 06.11.2020 – 1 StR 113/19 klargestellt.
Widerruf – zusätzliche Schutzmöglichkeit bei Fernabsatzverträgen
§ 355 BGB – Widerrufsrecht und § 312g BGB – Fernabsatzverträge
Wurde der Vertrag telefonisch oder online abgeschlossen, besteht ein Widerrufsrecht. Dieses erlischt nur, wenn
- der Kunde ausdrücklich zugestimmt hat, dass mit der Ausführung vor Ablauf der Frist begonnen wird, und
- über das Erlöschen des Widerrufsrechts ordnungsgemäß belehrt wurde.
Fehlt diese Belehrung, kann der Vertrag jederzeit widerrufen werden – selbst nach erbrachter Leistung.
Fazit: Sie müssen sich nicht alles gefallen lassen
Der Fall Marianne Huber zeigt deutlich: Schnelle Hilfe darf keine Lizenz zum Abkassieren sein. Wer für eine kurze Leistung über 4.000 € verlangt, handelt in der Regel sittenwidrig und macht sich unter Umständen strafbar.
Ihre Möglichkeiten:
- Anfechtung des Vertrags nach § 123 BGB
- Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB
- Rückforderung über § 812 BGB
- Widerruf gemäß § 355 BGB
- Strafanzeige nach § 291 StGB und § 263 StGB
Unser Rat: Zahlen Sie keinesfalls weitere Beträge – und lassen Sie sich juristisch beraten, bevor Sie auf Mahnungen reagieren. In vielen Fällen können Sie bereits Geleistetes zurückfordern.