Während des BAG schon darüber entschieden hat, dass eine arbeitsvertragliche Ausschlussfrist, die auch den Anspruch auf Mindestlohn erfasst, Arbeitnehmer unangemessen im Sinne von § 307 BGB benachteiligt und deshalb unwirksam ist, war bislang die Frage, wie es sich mit tarifvertragliche Ausschlussfristen, die den Mindestlohn nicht ausnehmen, verhält, obergerichtlich nicht geklärt. Wir selbst hatten erst unlängst eine solche Problematik vor dem Arbeitsgericht München diskutiert, wobei das Gericht unter Hinweis auf die nicht vorhandene obergerichtliche Rechtsprechung und die damit einhergehende Rechtsunsicherheit die Parteien zum Vergleichsschluss bewogen hat. Nunmehr hat das BAG mit Urteil vom 20.06.2018 (5 AZR 377/17) auch entschieden, dass tarifvertragliche Ausschlussfristen den Anspruch auf Mindestlohn nicht ausschließen können.
Arbeitgeber beruft sich bei Entgeltfortzahlungsanspruch auf tarifvertragliche Ausschlussfrist
Im entschiedenen Rechtsstreit war ein Arbeitnehmer zu einem Stundenlohn von 13 € brutto beschäftigt. Nach der Kündigung durch den Arbeitgeber war der Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank. Er legte auch entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wurde aber seitens des Arbeitgebers nicht geleistet.
Erst 4 Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses machte der Arbeitnehmer schriftlich seine Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gelten. Der Arbeitgeber berief sich nun darauf, dass im Baurahmentarifvertrag sich eine Ausschlussklausel befindet und der Anspruch daher verfallen sei. Dieser fand auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. In § 14 BRTV heißt es:
„Ausschlussfristen
1. Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden …
2. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird. Dies gilt nicht für Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers, die während eines Kündigungsschutzprozesses fällig werden …“
Der Arbeitnehmer dagegen hielt die Klausel insgesamt für unwirksam, weil sie gegen das Mindestlohngesetz verstoße.
Nur eingeschränkte Unwirksamkeit der tarifvertraglichen Ausschlussfrist
Die höchsten Arbeitsrichter haben dem Kläger für jede Stunde der Krankheit nicht den vollen vertraglich vereinbarten Arbeitslohn, sondern lediglich den Mindestlohn in Höhe von 8,50 € zugesprochen. Zur Begründung haben die Richter ausgeführt, dass ein Arbeitnehmer bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem EFZG hat, wobei auch ein solcher Anspruch nach einer tarifvertraglichen Ausschlussklausel verfallen kann. Allerdings würde nur der über den Mindestlohn hinausgehende Lohnanspruch verfallen, nicht jedoch der Mindestlohn. Dieser sei unverfallbar, § 3 S. 1 Mindestlohngesetz.
Hätte es sich um eine bloße arbeitsvertragliche Ausschlussfrist gehandelt, dann hätte der Arbeitnehmer, weil diese insgesamt unwirksam wäre, den vollen vertraglich Lohn beanspruchen können.