Arbeitszeitbetrug gehört zu den gravierendsten Pflichtverletzungen im Arbeitsverhältnis. Ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln zeigt, wie ernst die Konsequenzen sein können – von der fristlosen Kündigung bis zur Zahlung hoher Detektivkosten. Der Fall zeigt auch, welche Anforderungen an die Beweisführung und den Datenschutz gestellt werden.
Der Fall: Arbeitszeitbetrug durch Fahrkartenkontrolleur
Ein Fahrkartenkontrolleur nutzte während seiner Dienstzeit zahlreiche Stunden für private Zwecke. Der Arbeitgeber ließ ihn über einen Zeitraum von zwei Wochen von einem Privatdetektiv beobachten. Die Beweislage war erdrückend: Aufenthalte in Cafés, private Fototermine, Besuche bei der Freundin – insgesamt rund 26 Stunden nicht geleistete Arbeitszeit. Das Landesarbeitsgericht Köln bestätigte die fristlose Kündigung und verurteilte den Ex-Mitarbeiter zur Zahlung der Detektivkosten in Höhe von über 21.000 Euro (Urteil vom 11.02.2025 – 7 Sa 635/23).
Rechtliche Bewertung: Arbeitszeitbetrug als wichtiger Kündigungsgrund
Relevanz des § 626 BGB
Die fristlose Kündigung wurde auf § 626 Abs. 1 BGB gestützt. Diese Vorschrift erlaubt die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.
Vertrauensverhältnis im Arbeitsverhältnis
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stellt Arbeitszeitbetrug einen gravierenden Vertrauensbruch dar. Das gilt insbesondere dann, wenn Arbeitnehmer Arbeitszeiten systematisch falsch erfassen oder während der Arbeitszeit privaten Beschäftigungen nachgehen. Das Verhalten verletzt in der Regel auch die Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB.
Detektivkosten als Schadensersatz
Voraussetzungen für die Erstattung
Die Kosten für den eingesetzten Detektiv waren nach Ansicht des Gerichts ersatzfähig im Sinne von § 249 BGB. Voraussetzung ist, dass ein konkreter Tatverdacht besteht, die Maßnahme verhältnismäßig ist und sich der Verdacht bestätigt.
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
Bereits das Bundesarbeitsgericht hatte in seinem Urteil vom 26.09.2013 (8 AZR 1026/12) festgestellt, dass Detektivkosten im Fall eines bestätigten Arbeitszeitbetrugs ersatzfähig sind. Es handelt sich dann nicht um Präventionskosten, sondern um echten Schadenersatz.
Datenschutzrechtliche Bewertung der Observation
Zulässigkeit nach § 26 BDSG
Der Arbeitnehmer berief sich auf sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Das LAG Köln wies dies mit Verweis auf § 26 Abs. 1 Satz 2 BDSG zurück. Danach ist die Erhebung personenbezogener Daten zur Aufdeckung von Straftaten zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen und kein überwiegendes Schutzinteresse des Betroffenen besteht.
Abwägung der Interessen
Die Beobachtung durch den Detektiv war auf den öffentlichen Raum beschränkt, fand nur während der Dienstzeit statt und war zeitlich begrenzt. Das Gericht sah deshalb keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht.
Arbeitszeitbetrug im Homeoffice – Neue Herausforderungen
Einhaltung der Arbeitszeitpflichten
Auch im Homeoffice besteht die Pflicht zur Einhaltung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Verstöße können ebenso wie im Präsenzbetrieb zur Kündigung führen. Grundlage dafür ist wiederum § 241 Abs. 2 BGB.
Zeiterfassungspflichten
Nach § 16 Abs. 2 ArbZG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit zu erfassen. In der Praxis bedeutet das, dass klare Vereinbarungen über die Arbeitszeiterfassung auch im Homeoffice erforderlich sind.
Grenzen der Überwachung im Homeoffice
Technische Überwachungsmaßnahmen (z. B. Kameras, Keylogger) im Homeoffice unterliegen strengen datenschutzrechtlichen Anforderungen. Der Einsatz eines Detektivs ist in diesem Kontext nur in Ausnahmefällen denkbar und bedarf einer besonders sorgfältigen rechtlichen Abwägung unter Berücksichtigung von § 26 BDSG.
Fazit: Arbeitszeitbetrug ist kein Kavaliersdelikt
Die Entscheidung des LAG Köln zeigt deutlich, dass Arbeitszeitbetrug ernste arbeits- und haftungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Neben der fristlosen Kündigung drohen erhebliche finanzielle Belastungen – etwa durch die Erstattung von Detektivkosten gemäß § 249 BGB.
Für Arbeitgeber ist es wichtig, bei Verdachtsfällen besonnen, aber konsequent zu handeln und Beweise rechtssicher zu sichern. Arbeitnehmer – insbesondere im Homeoffice – sollten sich bewusst sein, dass auch dort arbeitsrechtliche Pflichten uneingeschränkt gelten.
Ihre Ansprechpartner im Arbeitsrecht
Wenn Sie Fragen zum Thema Arbeitszeitbetrug, Kündigung oder Mitarbeiterüberwachung haben, stehen wir Ihnen mit unserer arbeitsrechtlichen Expertise gerne zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns jederzeit für eine vertrauliche und fundierte Erstberatung.