Eine betriebliche Übung ist im Arbeitsrecht die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aufgrund derer die Arbeitnehmer darauf vertrauen können, dass ihnen eine bestimmte Vergünstigung auf Dauer gewährt werden soll. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber Weihnachtsgeld bezahlt, ohne dass im Vertrag ein vertraglicher Anspruch geregelt wäre. Dann kann sich ein Anspruch auf Weiterzahlung für die Zukunft aus einer betrieblichen Übung ergeben.
Einigen Betriebsrentnern eines Lebensmittelherstellers war offensichtlich eine in der Vergangenheit zu Weihnachten überreichte Marzipantorte so wichtig, dass sie ihren ehemaligen Arbeitgeber, der sich 2016 offensichtlich nicht mehr so spendabel gezeigt hat, vor Gericht dazu zwingen wollten, ihnen auch künftig zu Weihnachten eine Marzipantorte zukommen zu lassen.
Vor Gericht fanden sie allerdings mit diesem Wunsch kein Verständnis, so dass die Klage mit Urteil des ArbG Köln vom 24.11.2016 (11 Ca 3589/16) zurückgewiesen worden ist.
Auch, wenn unser Rechtssystem Gerichte dazu zwingt, über allen möglichen und unmöglichen Unsinn zu entscheiden, wenn sich nur ein Kläger findet, der dies beantragt, so vermochten die Arbeitsrichter dem Begehren der Rentner jedenfalls aus Rechtsgründen nicht zu entsprechen. Dies deshalb, weil zum einen in der Vergangenheit schon nicht alle Betriebsrentner die Torte erhalten haben und darüber hinaus der Arbeitgeber in dem mit übermittelten Weihnachtsschreiben stets deutlich gemacht hat, dass es sich um eine freiwillige Leistung handelt, die immer nur für das aktuelle Jahr gewährt wird. Deshalb konnten die Rentner – so die Richter – nicht davon ausgehen, auch in den Folgejahren in den Genuss einer Marzipantorte zu gelangen.
Den Rentnern ging es natürlich nicht nur um die Torte, sondern auch noch um 105 € Weihnachtsgeld, das in den Vorjahren (freiwillig) gezahlt worden ist. Auch darauf müssen sie nun nach dem Richterspruch für das Jahr 2016 und, falls der Arbeitgeber nachtragen bist, wohl auch für die Zukunft verzichten.
Dass so absurde Rechtsstreitigkeiten vor Gericht landen und dort Kapazitäten binden, die besser anderweitig eingesetzt werden könnten, hat einmal damit zu tun, dass oft bei vorhandener Rechtsschutzversicherung, ohne ein eigenes Kostenrisiko zu tragen, auch unsinnige Rechtsstreitigkeiten angestrengt werden. In arbeitsgerichtlichen Verfahren kommt noch die Besonderheit hinzu, dass in erster Instanz kein Kostenerstattungsanspruch für die obsiegende Partei entsteht, also jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, so dass, jedenfalls dann, wenn eine Partei sich selbst vertreten kann, mit sehr eingeschränktem Kostenrisiko prozessiert werden kann. Dies erst recht, weil im Arbeitsrecht ohnehin mindestens 90 % aller Verfahren im Gütetermin vergleichsweise beendet werden. Vielleicht hatten die klagenden Rentner auch darauf spekuliert, dass der Arbeitgeber, um Ruhe zu haben, ihnen vergleichsweise die begehrte Marzipantorte zusagt, wenn gleichzeitig Stillschweigen vereinbart wird.