Ein Nebenkriegsschauplatz bei Rechtsstreitigkeiten ist oft die Frage, ob und in welcher Höhe dem Kläger die Kosten erstattet werden müssen, die bei ihm für die vorgerichtliche Tätigkeit seines Rechtsvertreters angefallen sind. Wurde vom Klägervertreter eine 1,5 Geschäftsgebühr geltend gemacht, dann wird von Beklagtenseite oft eingewandt, dass allenfalls eine 1,3 Geschäftsgebühr zu erstatten sei, weil es sich um eine durchschnittliche Angelegenheit gehandelt habe. Da die Rechtsprechung der Instanzgerichte hierzu nicht einheitlich ist, hat nunmehr der BGH erneut mit Urteil vom 8. Mai 2012 (VI ZR 273/11) klargestellt, dass der Ansatz einer 1,5 Geschäftsgebühr auch bei durchschnittlichen Sachen vom Ermessensspielraum des Rechtsanwalts erfasst ist, und daher auch Gebühren in dieser Höhe von der unterliegenden Partei zu erstatten sind.
Zur Begründung hat der BGH ausgeführt:
„Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmt bei Rahmengebühren, zu denen die Geschäftsgebühr im Sinne der Nr. 2300 VV RVG zählt, der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, „nach billigem Ermessen“. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nur dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Dabei steht dem Rechtsanwalt nach überwiegender Meinung auch im Anwendungsbereich des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 % zu (vergl. Senatsurteil vom 31. Oktober 2006 – VI ZR 261/05; BGH, Urteil vom 13. Januar 2011 – XI ZR 110/10; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage, § 14 Rn. 12; Winkler in Meyer/Kroiß RVG, 5. Auflage § 14 Rn. 54; Römermann in Hartung/Römermann/Schons RVG, 2. Auflage, § 14 Rn. 89 f.). Hält sich der Anwalt innerhalb dieser Grenze und ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tätigkeit unterdurchschnittlich war, ist die von ihm festgelegte Gebühr jedenfalls nicht im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG unbillig und daher von dem Ersatzpflichtigen Dritten hinzunehmen (BGH, Urteil vom 13. Januar 2011 – IX ZR 110/10; Senatsurteil vom 31. Oktober 2006 – VI ZR 261/05).“
Fazit:
Der BGH stellt hier erneut klar, dass der Ansatz einer 1,5 Geschäftsgebühr weder eine überdurchschnittlich schwierige noch überdurchschnittlich umfangreiche Tätigkeit voraussetzt, sondern dass bereits eine durchschnittliche Angelegenheit ausreichend ist. Lediglich bei unterdurchschnittlichen Angelegenheiten ist der Ansatz einer 1,5 Geschäftsgebühr unbillig. Hier verbleibt es bei einer 1,3 Geschäftsgebühr.
Die vorgenannten Grundsätze lassen sich auch auf die Abrechnung mit Rechtsschutzversicherungen übertragen. Auch hier gab es in der Vergangenheit immer wieder Diskussionen darüber, ob die Versicherung lediglich eine 1,3 Geschäftsgebühr bezahlen oder aber auch eine 1,5 Geschäftsgebühr erstatten muss. Sie sollten sich daher von Ihrer Versicherung nicht mit fadenscheiniger Argumentation abspeisen lassen. Die Argumentation des BGH lässt sich auch hier bei der Korrespondenz mit der Versicherung verwenden.