Gehaltsunterschiede zwischen Beschäftigten in vergleichbaren Positionen sorgen regelmäßig für Unverständnis und Rechtsunsicherheit. Betriebsräte, Mitarbeitende und Personalabteilungen fragen sich: Wann ist ein Unterschied rechtlich gerechtfertigt und wann liegt eine verbotene Ungleichbehandlung vor?
Das Urteil des LAG Mecklenburg‑Vorpommern vom 28. Januar 2025 (Az. 5 SLa 159/24), das Gehaltsunterschiede von bis zu 140 % bei gleicher Tätigkeit für zulässig hält, bildet den Kern dieses Beitrags. Zugleich beleuchten wir die Bedeutung des Entgelttransparenzgesetzes (EntgTranspG) und einschlägiger arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsätze.
Sachverhalt des LAG-Falls
- Ein Personalleiter (Einstellungsjahr 2020) erhielt ein Monatsgehalt von 4.200 €.
- Zwei Neuzugänge (2022 und 2023) erhielten auf derselben Stellenbezeichnung ein Bruttogehalt von jeweils 10.000 € plus Zusatzleistungen.
- Der ursprüngliche Mitarbeiter klagte auf Angleichung seines Gehalts rückwirkend auf das Niveau der später Eingestellten.
Kernaussage des LAG Mecklenburg‑Vorpommern
a) Gleichbehandlungsgrundsatz
Das Gericht stellte klar: Eine ungleiche Vergütung ist nicht allein aufgrund gleicher Stellenbeschreibung unzulässig – entscheidend sind objektiv differenzierende Faktoren wie:
- Höhere Qualifikation (z. B. Diplom, Master-Abschluss vs. Hotelfachmann-Ausbildung)
- Einschlägigere Berufserfahrung
Solange ein Arbeitgeber nicht durch einheitliche Vergütungssysteme oder tarifvertragliche Vorgaben verpflichtet ist, dürfen solche Unterschiede gezahlt werden, ohne gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu verstoßen.
b) Entgelttransparenzgesetz
Ein möglicher Verstoß nach § 3 Abs. 1 EntgTranspG liegt nicht vor, solange keine geschlechtsbezogene Diskriminierung angenommen werden kann – diese scheidet aus, wenn sowohl Männer als auch Frauen identische oder unterschiedliche Vergütungen empfangen haben.
Vertiefung: Das Urteil im Kontext aktueller Rechtsprechung
Während das Entgelttransparenzgesetz Gleichheit bei „gleicher oder gleichwertiger Arbeit“ stärken sollte, erkennt die jüngere Rechtsprechung – insbesondere das LAG MV – an, dass objektive sachliche Gründe eine differenzierende Behandlung rechtfertigen können:
- Qualifikation
- Berufserfahrung
- Marktbedingungen zum Einstellzeitpunkt
Auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts betont, dass besondere Leistung, Verantwortung oder Marktzwänge legitime Differenzierungsgründe bei der Entgeltfestsetzung sein können – sofern diese nachvollziehbar dokumentiert sind.
Praktische Empfehlungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Das sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer wissen:
Für Arbeitgeber:
- Stellen- und Anforderungsprofile eindeutig dokumentieren.
- Transparente Vergütungsmodelle etablieren, etwa durch Tarifverträge oder Bandbreitenregelungen.
- Gehaltsdifferenzen nachvollziehbar und objektiv begründen.
- Regelmäßig einen internen Abgleich zur Entgeltstruktur durchführen.
- Rechte nach dem EntgTranspG ernst nehmen und auf Auskunftsverlangen vorbereitet sein.
Für Arbeitnehmer:
- Bei Unklarheiten zur eigenen Eingruppierung Auskunft nach § 10 EntgTranspG verlangen.
- Nicht vorschnell auf vermeintliche Gehaltsungleichbehandlungen reagieren – entscheidend ist die Gesamtschau auf Qualifikation und Verantwortung.
Fazit
Ein Gehaltsunterschied von bis zu 140 % bei identischer Stellenbezeichnung kann rechtlich zulässig sein, wenn objektiv nachvollziehbare Gründe – wie unterschiedliche Qualifikation, Berufserfahrung oder Verantwortungsumfang – vorliegen.
Das LAG Mecklenburg‑Vorpommern hat in seinem Urteil vom 28.01.2025 die Grenzen des Gleichbehandlungsgrundsatzes praxisnah und arbeitgeberfreundlich definiert.
Dennoch ist höchste Transparenz geboten: Vergütungssysteme sollten nachvollziehbar, diskriminierungsfrei und mit klaren Kriterien gestaltet sein. Für Arbeitnehmer bleibt das Entgelttransparenzgesetz ein wichtiges Instrument zur Kontrolle möglicher Diskriminierung – ersetzt aber nicht die differenzierte Betrachtung zulässiger Gehaltsunterschiede.
Wenn Sie Unterstützung bei der Gestaltung oder Überprüfung Ihrer Vergütungsstruktur benötigen, stehen wir Ihnen als erfahrene Kanzlei für Arbeitsrecht gern zur Seite.