Eine Kündigung in der Probezeit wirkt auf den ersten Blick unkompliziert, weil hierfür weder ein Grund erforderlich ist noch grds. Kündigungsschutz zugunsten des Arbeitnehmers besteht. Doch das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf (Urteil vom 14.01.2025, Az. 3 SLa 317/24) hat in einer aktuellen Entscheidung verdeutlicht: Auch bei Probezeitkündigungen gibt es rechtliche Grenzen. Zentral ist dabei das Rechtsprinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und das daraus entwickelte Verbot widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“). Dieser Beitrag zeigt, wann auch eine Probezeitkündigung unwirksam sein kann – mit Blick auf die aktuelle Rechtsprechung und die Rechtslage in Deutschland.
1. Sachverhalt – Die Entscheidung des LAG Düsseldorf
Ein Wirtschaftsjurist wurde bei einem Rückversicherer in der Abteilung Recht/Compliance angestellt. Im Arbeitsvertrag war eine sechsmonatige Probezeit vereinbart. Am 17.11.2023, also vor Ablauf dieser Frist, wurde ihm vom Abteilungsleiter und zugleich Prokuristen – der den Arbeitsvertrag auch mitunterzeichnet hatte – mitgeteilt, dass die Übernahme nach der Probezeit beschlossen sei. Die Worte: „Das tun wir natürlich.“
Am 08.12.2023, noch innerhalb der Probezeit, erfolgte jedoch die Kündigung wegen angeblich unzureichender Leistungen. Der Wirtschaftsjurist erhob Kündigungsschutzklage – mit Erfolg.
Das LAG Düsseldorf erklärte die Kündigung für unwirksam. Zwar war § 1 KSchG nicht anwendbar, da die Wartefrist von sechs Monaten nicht abgelaufen war. Dennoch verstoße die Kündigung gegen § 242 BGB, weil der Arbeitgeber zuvor eine klare Übernahmezusage gemacht habe und kein sachlicher Grund für das plötzliche Umschwenken vorgetragen wurde.
2. Juristischer Rahmen
2.1 Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB)
Der Grundsatz verpflichtet die Parteien eines Rechtsverhältnisses zu loyalem und redlichem Verhalten. Auch wenn das Kündigungsschutzgesetz bei Probezeitkündigungen formal nicht greift, bleibt § 242 BGB als allgemeine Schranke rechtsmissbräuchlichen Verhaltens anwendbar.
2.2 Venire contra factum proprium
Dieses Rechtsinstitut untersagt es einem Vertragspartner, sich im Widerspruch zu einem vorherigen eigenen Verhalten zu setzen, auf das der andere vertraut hat. Im Arbeitsrecht ist dies etwa dann relevant, wenn der Arbeitgeber vor einer Kündigung den Eindruck erweckt, dass keine Kündigung zu erwarten sei, und sich dann ohne nachvollziehbare Gründe gegenteilig verhält.
3. Urteilskern: Warum die Kündigung treuwidrig war
- Vertrauensschutz: Der Wirtschaftsjurist durfte auf die verbindlich klingende Äußerung seines Prokuristen vertrauen, zumal dieser die Personalentscheidung in seiner Funktion rechtsverbindlich mitgestalten konnte.
- Fehlender sachlicher Grund: Der Arbeitgeber führte im Prozess keine neuen oder nachträglichen Erkenntnisse an, die eine Abkehr von der Zusage hätten rechtfertigen können.
- Widersprüchliches Verhalten: Zwischen der Zusage am 17.11.2023 und der Kündigung am 08.12.2023 lagen lediglich drei Wochen. Eine derart kurzfristige Kehrtwende ist ohne neue Tatsachengrundlage treuwidrig.
4. Praxisrelevante Auswirkungen
Die Entscheidung kann sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer Auswirkungen haben:
Für Arbeitgeber:
- Mündliche Zusagen durch Personalverantwortliche entfalten rechtliche Bindung – auch in der Probezeit.
- Aussagen zur Weiterbeschäftigung sollten mit Vorsicht getroffen oder klar relativiert werden.
- Vor einer Kündigung sollte intern sorgfältig dokumentiert werden, ob eine frühere Zusage getroffen wurde und ob sachliche Gründe für eine gegenteilige Entscheidung vorliegen.
Für Arbeitnehmer:
- Auch in der Probezeit kann es sich lohnen, gegen eine Kündigung vorzugehen, wenn widersprüchliche Aussagen getroffen wurden.
- Schriftliche oder dokumentierte Aussagen von Vorgesetzten über eine Weiterbeschäftigung können entscheidend sein.
- Eine anwaltliche Überprüfung ist auch außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes sinnvoll.
Fazit
Die Entscheidung des LAG Düsseldorf zeigt: Auch in der Probezeit ist der Arbeitgeber nicht völlig frei in seiner Entscheidung über eine Kündigung. Verbindliche Zusagen oder klare Erklärungen zur Weiterbeschäftigung können ein schutzwürdiges Vertrauen begründen. Eine anschließende Kündigung ohne neue sachliche Grundlage verstößt gegen das Prinzip von Treu und Glauben und ist damit unwirksam.
Unsere Empfehlung: Arbeitgeber sollten ihre Kommunikation mit neuen Mitarbeitern auch in der Probezeit rechtlich absichern und Zusagen nur treffen, wenn eine Übernahme wirklich beabsichtigt ist. Arbeitnehmer sollten sich nicht vorschnell mit einer Kündigung abfinden – auch hier gibt es Mittel des Rechtsschutzes.
Wenn Sie eine Kündigung in der Probezeit erhalten haben oder Fragen zur Zulässigkeit einer Kündigung haben, beraten wir Sie gerne individuell und kompetent.