Im deutschen Erbrecht spielt die Kettensurrogation eine bedeutende Rolle, insbesondere wenn es um die Frage geht, ob ein mit Mitteln aus einer Erbschaft erworbener Gegenstand als Surrogat im Sinne des § 2111 Abs. 1 BGB anzusehen ist.
Das Oberlandesgericht (OLG) München hat sich in seinem Beschluss vom 01.04.2025 (Az. 34 Wx 66/25 e) mit den Anforderungen an den Nachweis eines solchen Surrogaterwerbs im Grundbuchverfahren auseinandergesetzt.
Sachverhalt
Im zugrunde liegenden Fall war der Beteiligte als Nacherbe nach dem Erblasser E1 eingesetzt. Nach dem Tod von E1 wurde dessen Grundstück zwangsversteigert, und der Erlösanteil der Vorerbin E2 betrug 857.900 DM.
E2 erwarb später ein neues Grundstück, wobei ein Teil des Kaufpreises aus dem Erlös der Zwangsversteigerung stammte.
Nach dem Tod von E2 beantragte der Beteiligte die Eintragung als Miteigentümer dieses neuen Grundstücks im Grundbuch, da es sich seiner Ansicht nach um ein Surrogat des ursprünglichen Nachlassgegenstandes handelte.
Rechtliche Würdigung
Surrogation gemäß § 2111 Abs. 1 BGB
§ 2111 Abs. 1 BGB regelt, dass ein Ersatzgegenstand an die Stelle eines veräußerten Nachlassgegenstandes tritt, wenn mit dem Erlös ein neuer Gegenstand erworben wird.
Ziel der Vorschrift ist es, dem Nacherben einen gleichwertigen Zugriff auf den Vermögenswert zu sichern, selbst wenn der ursprüngliche Gegenstand nicht mehr vorhanden ist.
Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs gemäß § 22 Abs. 1 GBO
Der Nachweis der Unrichtigkeit eines Grundbucheintrags ist zwingende Voraussetzung für eine Berichtigung nach § 22 Abs. 1 GBO.
Dabei muss der Nachweis mit öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunden erfolgen, um den strengen Anforderungen des Grundbuchrechts an Sicherheit und Verlässlichkeit gerecht zu werden.
Erfordernis öffentlicher Urkunden gemäß § 29 Abs. 1 GBO
§ 29 Abs. 1 GBO verlangt, dass sämtliche Eintragungsunterlagen in öffentlich beglaubigter Form vorgelegt werden.
Kontoauszüge, Überweisungsbelege oder private Aufstellungen sind einfache Beweismittel, die diesen Formerfordernissen nicht genügen.
Sie können zwar Hinweise geben, stellen jedoch keinen tauglichen Eintragungsnachweis dar.
Entscheidung des OLG München
Das OLG München hat in seiner Entscheidung klargestellt, dass bei einer Kettensurrogation – also wenn Surrogatsgegenstände mehrfach nacheinander aus Erbschaftsmitteln finanziert werden – der gesamte Mittelverlauf lückenlos in der vorgeschriebenen Form nachgewiesen werden muss. Dies bedeutet konkret, dass alle relevanten Vorgänge mit öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunden zu dokumentieren sind. Die vom Beteiligten vorgelegten Unterlagen – insbesondere einfache Kontoauszüge – genügten nicht.
Der Senat hat betont, dass zwischen dem Nachweis der Entgeltlichkeit einer Verfügung (z. B. im Rahmen von § 2113 Abs. 2 BGB) und dem Nachweis eines Surrogationserwerbs grundsätzlich zu unterscheiden ist. Während für die Entgeltlichkeit regelmäßig Urkunden vorliegen, aus denen sich die Transaktion ergibt (z. B. notarieller Kaufvertrag), fehlt es beim Nachweis einer Kettensurrogation oft an solchen eindeutigen Dokumenten. Dies ist jedoch mit Blick auf die Anforderungen der Grundbuchordnung nicht hinnehmbar.
Rechtsprechung und Literatur
Die Entscheidung des OLG München steht in Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung zur grundbuchlichen Formstrenge.
Bereits das Bayerische Oberste Landesgericht hat 1956 (BayObLGZ 1956, 54, 61) betont, dass ein als entgeltlich bezeichneter Vorgang in einer öffentlichen Urkunde grundsätzlich als solcher anzusehen ist.
Für die Annahme einer Surrogation reicht diese Indizwirkung aber nicht aus, wenn der Mittelverlauf nicht dokumentiert ist.
Bedeutung für die Praxis
Für Nacherben
Nacherben müssen beachten, dass sie bei der Geltendmachung von Ansprüchen auf Surrogatsgegenstände stets eine lückenlose Nachweiskette führen können müssen.
Diese sollte durch notariell beurkundete oder zumindest öffentlich beglaubigte Dokumente abgesichert sein, insbesondere wenn ein Grundbuchberichtigungsantrag gestellt werden soll.
Für Vorerben und Erblasser
Bereits bei der Verfügung über Nachlassgegenstände sollten Vorerben darauf achten, dass die Herkunft und Verwendung von Nachlassmitteln eindeutig dokumentiert werden – am besten im Rahmen notarieller Verträge oder entsprechender Festlegungen in Erbauseinandersetzungsvereinbarungen.
Andernfalls droht eine spätere Blockade bei der grundbuchlichen Anerkennung von Nacherbenrechten.
Fazit
Die Entscheidung des OLG München bringt Klarheit in einer bislang umstrittenen Frage: Die Nachweispflicht für Surrogation im Erbrecht kennt keine Abmilderung, auch nicht bei mehrgliedrigen Surrogationsketten. Wer sich auf einen Erwerb mit Mitteln aus der Erbschaft beruft, muss sämtliche Zwischenschritte urkundlich nachweisen können – und zwar in der Form des § 29 Abs. 1 GBO.
Kontoauszüge, Quittungen oder private Zahlungsbelege sind hierfür ungeeignet. Für die erbrechtliche Praxis bedeutet das: Je komplexer die Vermögensverwendung, desto höher die Anforderungen an Dokumentation und juristische Begleitung.
Für Nachlassgestaltungen empfiehlt sich daher ein frühzeitiger Einbezug fachkundiger Beratung, um sicherzustellen, dass Vermögensübertragungen nicht an formellen Hürden scheitern.