Das Arbeitszeugnis ist ein zentrales Dokument im beruflichen Werdegang eines Arbeitnehmers. Umso wichtiger ist die Frage, welches Datum ein Zeugnis tragen muss oder tragen darf. Streitigkeiten entstehen regelmäßig dann, wenn das Zeugnis ein späteres Ausstellungsdatum trägt als das Datum der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die jüngere Rechtsprechung – insbesondere das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 5. Dezember 2024 (Az. 6 SLa 25/24) – zeigt, dass nicht jeder Rückdatierungswunsch rechtlich durchsetzbar ist. Dieser Artikel beleuchtet die rechtlichen Grundlagen, stellt die aktuelle Rechtsprechung vor und gibt Arbeitgebern wie Arbeitnehmern praktische Hinweise.
1. Rechtliche Grundlagen
Der Anspruch auf ein Arbeitszeugnis ergibt sich aus § 109 GewO. Die Vorschrift verpflichtet den Arbeitgeber:
- ein schriftliches Zeugnis zu erteilen (§ 109 Abs. 1 GewO),
- dieses wahrheitsgemäß und wohlwollend zu formulieren (§ 109 Abs. 2 GewO),
- und keine Merkmale oder Formulierungen zu verwenden, die den Arbeitnehmer in unzulässiger Weise benachteiligen (§ 109 Abs. 2 GewO).
Zwar regelt § 109 GewO das Datum des Zeugnisses nicht ausdrücklich. Gleichwohl ist klar: Auch das Ausstellungsdatum fällt unter den Grundsatz der Zeugniswahrheit. Das Bundesarbeitsgericht hat mehrfach klargestellt, dass das Zeugnis ein formal korrektes und inhaltlich wahres Dokument sein muss. Dazu zählt auch das Datum der Erstellung.
Der Arbeitnehmer kann ein einfaches oder qualifiziertes Arbeitszeugnis verlangen. Dieses Wahlrecht muss er gegenüber dem Arbeitgeber ausüben – erst dann wird der Zeugnisanspruch nach § 109 GewO fällig.
2. Der entschiedene Fall: Rückdatierung des Arbeitszeugnisses
2.1. Ausgangssituation
Arbeitgeber und Arbeitnehmer hatten im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs unter anderem vereinbart:
- Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 28. Februar 2023,
- Ausstellung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses mit der Gesamtnote „gut“.
Der Arbeitgeber erteilte das Zeugnis jedoch nicht mit Datum des Beendigungszeitpunkts, sondern erst im April 2023 – mit einem entsprechenden Ausstellungsdatum aus April 2023. Der Arbeitnehmer verlangte daraufhin eine Rückdatierung auf den 28. Februar 2023 und erhob Klage auf Erteilung eines Zeugnisses mit diesem Datum.
Das Arbeitsgericht Aachen wies die Klage ab. Der Arbeitnehmer legte gegen diese Entscheidung Berufung zum Landesarbeitsgericht Köln ein.
2.2. Entscheidung des LAG Köln (Urteil vom 5.12.2024, 6 SLa 25/24)
Das Landesarbeitsgericht Köln bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies die Berufung zurück. Die wesentlichen Argumentationslinien des Gerichts lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Keine Vereinbarung über ein bestimmtes Zeugnisdatum
Die Parteien hatten zwar vereinbart, dass der Arbeitgeber ein qualifiziertes Zeugnis mit der Note „gut“ erteilt. Eine ausdrückliche Regelung über das Zeugnisdatum enthielt der Vergleich jedoch nicht. Ohne eine solche Vereinbarung ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, das Zeugnis auf den Tag des Ausscheidens zu datieren. Er darf vielmehr das tatsächliche Ausstellungsdatum verwenden.
b) Zeugniswahrheit verlangt nicht zwingend eine Rückdatierung
Der Grundsatz der Zeugniswahrheit verlangt, dass das Zeugnis inhaltlich und formal der Wahrheit entspricht. Ein Zeugnis, das den Tag der tatsächlichen Ausfertigung als Datum trägt, entspricht diesem Grundsatz in aller Regel eher als ein rückdatiertes Dokument. Das LAG Köln sah daher keinen Widerspruch zur Zeugniswahrheit darin, dass das Zeugnis ein Datum im April 2023 trug.
c) Acht Wochen Verzögerung sind unschädlich
Das Gericht stellte fest, dass ein Zeitraum von höchstens acht Wochen zwischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Ausstellung des Zeugnisses in der Praxis üblich ist. Eine derartige Verzögerung lasse nicht den Schluss zu, dass eine gerichtliche Auseinandersetzung oder eine treuwidrige Verzögerung Ursache der späten Ausstellung gewesen sei. Ein Anspruch auf Rückdatierung ergebe sich daraus nicht.
d) Letzter Arbeitstag ist nicht zwingend das Zeugnisdatum
Der Arbeitnehmer argumentierte, der letzte Arbeitstag sei maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt und müsse deshalb zugleich das Zeugnisdatum sein. Dem folgte das LAG Köln nicht. Das Gericht betonte, dass das Verhalten des Arbeitnehmers am letzten Arbeitstag noch Gegenstand der Bewertung im Zeugnis sein könne. Der Bewertungszeitraum und das Ausstellungsdatum sind voneinander zu unterscheiden. Die inhaltliche Bewertung bezieht sich zwar regelmäßig auf den Zeitraum bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, das Datum auf dem Dokument ist davon jedoch zu trennen.
e) Fälligkeit des Zeugnisanspruchs
Das Gericht wies außerdem darauf hin, dass der Arbeitnehmer nicht einmal konkret vorgetragen hatte, wann er die Erteilung des Zeugnisses erstmals verlangt hat. Der Anspruch auf ein Zeugnis wird grundsätzlich erst fällig, wenn der Arbeitnehmer sein Wahlrecht zwischen einfachem und qualifiziertem Zeugnis ausgeübt hat. Ohne klare Fälligkeitsgrundlage ist ein Rückdatierungsanspruch erst recht nicht begründbar.
3. Bedeutung für die Praxis
3.1. Konsequenzen für Arbeitgeber
Für Arbeitgeber ergibt sich aus der Entscheidung eine wichtige Klarstellung: Sie sind grundsätzlich berechtigt, das tatsächliche Ausstellungsdatum auf dem Arbeitszeugnis zu verwenden. Eine Pflicht zur Rückdatierung auf den letzten Tag des Arbeitsverhältnisses besteht nur dann, wenn dies ausdrücklich vereinbart wurde oder besondere Umstände eine Rückdatierung ausnahmsweise gebieten.
Gleichwohl sollten Arbeitgeber darauf achten, das Zeugnis zeitnah nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erstellen. Zum einen entspricht dies der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht, zum anderen vermeidet es Misstrauen beim zukünftigen Arbeitgeber des Arbeitnehmers. Ein Zeugnis, das erst lange Zeit nach dem Ausscheiden ausgestellt wird, kann bei Dritten Fragen aufwerfen.
Empfehlenswert ist zudem, in Aufhebungs- oder Abwicklungsverträgen sowie in gerichtlichen Vergleichen klar zu regeln, ob und welches Zeugnis erteilt wird und ob ein bestimmtes Datum – etwa der Beendigungszeitpunkt – zu verwenden ist. So lassen sich spätere Streitigkeiten über Form und Inhalt, insbesondere über das Zeugnisdatum, vermeiden.
3.2. Konsequenzen für Arbeitnehmer
Arbeitnehmer sollten sich bewusst machen, dass ein Anspruch auf ein bestimmtes Zeugnisdatum nicht automatisch besteht. Wer Wert darauf legt, dass das Zeugnis beispielsweise auf den letzten Tag des Arbeitsverhältnisses datiert wird, sollte dies frühzeitig ansprechen und möglichst schriftlich vereinbaren – etwa im Aufhebungsvertrag, in einer Abwicklungsvereinbarung oder im gerichtlichen Vergleich.
Wichtig ist außerdem, den Zeugnisanspruch aktiv geltend zu machen und klarzustellen, ob ein einfaches oder ein qualifiziertes Zeugnis verlangt wird. Erst mit Ausübung dieses Wahlrechts wird der Anspruch fällig. Dies sollte dokumentiert werden, um im Streitfall nachweisen zu können, ab wann der Arbeitgeber in Verzug geraten könnte.
Ein späteres Ausstellungsdatum ist nicht per se nachteilig. Kritisch wird es erst, wenn zwischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Ausstellung eine ungewöhnlich lange Zeitspanne liegt oder wenn das Datum beim Leser den Eindruck erweckt, es habe erhebliche Konflikte gegeben. Auch dann kommt es jedoch auf die Umstände des Einzelfalls an.
4. Abgrenzung: Wann ist eine Rückdatierung dennoch möglich?
Die Rechtsprechung erkennt Fälle an, in denen eine Rückdatierung des Zeugnisses in Betracht kommt. Dies kann etwa gegeben sein, wenn:
- der Arbeitgeber die Ausstellung des Zeugnisses ohne nachvollziehbaren Grund über einen längeren Zeitraum hinauszögert,
- treuwidrig versucht wird, durch ein spätes Ausstellungsdatum einen negativen Eindruck zu erwecken,
- die Parteien ausdrücklich ein bestimmtes Datum (z. B. den letzten Arbeitstag) vereinbart haben,
- oder das gewählte Ausstellungsdatum objektiv irreführend wäre.
In solchen Konstellationen kann ein Anspruch auf Rückdatierung durchaus bestehen. Der vom Landesarbeitsgericht Köln entschiedene Fall lag jedoch innerhalb eines üblichen zeitlichen Rahmens und ohne besondere Umstände, sodass dort kein Anlass bestand, von der grundsätzlichen Zulässigkeit des tatsächlichen Ausstellungsdatums abzuweichen.
Fazit
Der Streit um das richtige Zeugnisdatum zeigt, dass nicht nur der Inhalt, sondern auch formale Aspekte eines Arbeitszeugnisses rechtlich bedeutsam sind. Der Grundsatz der Zeugniswahrheit erfasst auch das Ausstellungsdatum. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln verdeutlicht, dass Arbeitgeber ohne besondere Vereinbarung nicht verpflichtet sind, das Zeugnis auf den Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu datieren. Das tatsächliche Ausfertigungsdatum ist grundsätzlich zulässig – insbesondere, wenn das Zeugnis innerhalb eines üblichen Zeitraums nach dem Ausscheiden erteilt wird.
Für Arbeitgeber bedeutet dies Rechtssicherheit, solange sie Zeugnisse zeitnah und wahrheitsgemäß erstellen. Arbeitnehmer sollten ihrerseits frühzeitig klären, welches Zeugnis sie wünschen und ob ein bestimmtes Datum vereinbart werden soll. Klare Absprachen und eine transparente Handhabung des Zeugnisanspruchs helfen, Konflikte zu vermeiden und einen sauberen, rechtssicheren Abschluss des Arbeitsverhältnisses zu gewährleisten.


