Die Mühlen der Justiz mahlen bekanntlich langsam. Wie langsam zeigt ein am 05.04.2017 vom Landgericht Düsseldorf (5 O 487/83) erlassenes Urteil. Die Klägerin musste auf diese Entscheidung über eine testamentarisch angeordnete Ausgleichszahlung dafür, dass ihr Bruder alle Firmenanteile an der Arag-Versicherung erhalten hatte, in der ersten Instanz 34 Jahre warten.
Unklares Testament über Höhe einer Ausgleichszahlung führt zu Auslegungsproblemen
Auslöser des Rechtsstreits war ein Testament aus dem Jahr 1965. Der Erblasser, der im Jahre 1972 gestorben war, hatte in seinem Testament mit Vermächtnis verfügt, dass seine Anteile am Düsseldorfer Versicherungskonzern Arag in einer Hand bleiben und seinem Sohn vermacht werden. Dessen jüngere Schwester sollte dafür einen finanziellen Ausgleich bekommen. Da das Testament zur Höhe der Ausgleichszahlung keine Regelung enthielt, wurde darüber nun fast 4 Jahrzehnte lang gestritten.
Klage seit 1983 bei Gericht anhängig
Nach jahrelangem familieninternen Streit um das Testament reichte die Schwester schließlich im Jahr 1983 Klage ein. Der Erbfall lag zu diesem Zeitpunkt bereits 11 Jahre zurück.
Im Jahr 1984 war der Fall zum ersten Mal verhandelt worden. Ein Sachverständiger sollte nunmehr den Wert von Unternehmensanteilen für einen Stichtag berechnen, der bereits 11 Jahre zurück lag, was nahezu unmöglich ist. Aufgrund der langen Verfahrensdauer verstarb nicht nur der Anwalt der Klägerin, sondern auch ein Sachverständiger; ein weiterer Sachverständiger wurde zwischenzeitlich dement. Auch die Richter wechselten mehrfach. Dadurch verzögerte sich das Verfahren immer wieder. Eine Entschuldigung für die lange Verfahrensdauer ist dies freilich nicht, sondern ein Armutszeugnis für den Rechtsstaat.
Jetzt hat das Gericht dem Gutachten folgend der Klägerin 3,5 Millionen € zugesprochen. Dies ist weit weniger, als gefordert war. Die Klägerin, die noch zuvor ein Vergleichsangebot über 10 Millionen € abgelehnt hatte, hat deshalb noch am Tag der Urteilsverkündung Berufung zum Oberlandesgericht eingelegt.
Eine solche lange Verfahrensdauer ist nicht nur eine unnötige Ressourcenverschwendung, sondern skandalös. Dies kann jeder nachvollziehen, der schon einmal persönlich in einen emotional sehr belastenden Erbrechtsstreit bei Gericht verwickelt war. Das Leben der Klägerin ist durch den Rechtsstreit maßgeblich beeinträchtigt, wenn nicht gar geprägt worden.
Gesetz über Entschädigung bei überlanger Verfahrensdauer
Seit dem 07.12.2011 hat der Gesetzgeber reagiert und in den §§ 198 ff GVG Schadenersatz und Entschädigungsansprüche der betroffenen bei überlanger Verfahrensdauer geregelt. Das was in der Theorie zumindest gut klingt, schützt allerdings in der Praxis auch nicht. Wir selbst sind an einem Rechtsstreit beteiligt, der seit mehreren Jahren zur Entscheidung reif ist. Während der Einzelrichter zunächst noch den bereits anberaumten Termin zur Verkündung einer Entscheidung, nachdem dieser bereits verstrichen war aus „dienstlichen Gründen“ aufgehoben hat, hat er sich beim nächsten Verkündungstermin nicht einmal mehr die Mühe gemacht den Termin aufzuheben, sondern einfach nichts verkündet. Auf Eingaben und Beschwerden reagiert er nicht. Selbst die von uns nach § 198 Abs. 3 GVG erhobene Verzögerungsrüge blieb bislang ohne Reaktion. Es ist daher zu befürchten, dass das Verfahren erst dann fortgeführt wird, wenn der Richter in Ruhestand gegangen ist und eine neuer Richter das Referat übernehmen muss.
Die Mühlen der Justiz mahlen also nicht nur langsam, sondern vor Gericht und auf hoher See ist man (auch) in Gottes Hand.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.