Pflichtteilsansprüche sichern nahen Angehörigen des Erblassers eine gesetzlich garantierte Mindestbeteiligung am Nachlass, selbst wenn sie durch Testament oder Erbvertrag enterbt oder mit einem geringeren Erbteil bedacht wurden. Der Pflichtteil besteht in einem reinen Geldanspruch gegen die Erben und beträgt die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 BGB). Er ist sofort mit dem Erbfall fällig und kann – anders als ein Erbteil – nicht in Form einzelner Nachlassgegenstände verlangt werden.
Zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen gehören nach dem Gesetz: Abkömmlinge (Kinder, Enkel, Urenkel), wobei die näheren Abkömmlinge die entfernteren ausschließen (§ 2303 Abs. 1 BGB), der Ehegatte bzw. eingetragene Lebenspartner (§ 2303 Abs. 2 BGB) sowie – wenn keine Abkömmlinge vorhanden sind – die Eltern (§ 2303 Abs. 2 BGB). Nicht pflichtteilsberechtigt sind Geschwister, Großeltern oder entferntere Verwandte. Die Höhe des Pflichtteils hängt vom Nachlasswert und der individuellen Pflichtteilsquote ab, die sich aus den gesetzlichen Erbquoten ableitet. Gerade bei Unternehmensvermögen können daraus erhebliche Liquiditätsbelastungen entstehen.
Einfluss des Pflichtteilsrechts auf die Unternehmensnachfolge
Wer als Unternehmer die lebzeitige Regelung vom Pflichtteilsansprüche übersieht, er riskiert den Untergang des Unternehmens, weil das Pflichtteilsrecht weit reichende Konsequenzen für die Nachfolger haben kann.
1. Wenn Pflichtteilsansprüche nach Unternehmensübertragung entstehen
Geht ein Unternehmen schenkweise oder im Erbfall auf die nächste Generation über, können Pflichtteilsansprüche übergangener Berechtigter entstehen. Mit dem Tod des Übergebers sind diese Ansprüche sofort fällig; Stundungen werden nur in seltenen Härtefällen gewährt. Für Nachfolger bedeutet dies häufig, Liquidität aus dem Betrieb zu entnehmen oder Vermögenswerte zu veräußern – im Extremfall bis hin zur Zerschlagung des Unternehmens. Zusätzlicher Druck entsteht, wenn parallel hohe Erbschaftsteuerbeträge zu zahlen sind.
2. Offenlegungspflichten – Betriebsgeheimnisse in Gefahr
Pflichtteilsberechtigte haben umfassende Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche. Der Unternehmenserbe muss den Unternehmenswert ermitteln und dafür alle relevanten Unterlagen offenlegen – einschließlich sensibler Geschäftsunterlagen. Das birgt Risiken für Betriebsgeheimnisse und Verhandlungspositionen.
3. Maßnahmen zur Pflichtteilsvermeidung zu Lebzeiten
Es gibt verschiedene Maßnahmen, die lebzeitig zur Vermeidung von Pflichtteilsansprüchen getroffen werden können:
Pflichtteilsverzichtsvertrag
Die effektivste Lösung ist ein notariell beurkundeter Pflichtteilsverzicht. Damit werden Pflichtteils- und Wertermittlungsansprüche ausgeschlossen. Üblicherweise wird eine Abfindung vereinbart, die der Schenkungsteuer unterliegt. Übernimmt der Unternehmer diese Steuer, gilt dies wiederum als zusätzliche, schenkungsteuerpflichtige Zuwendung.
Erbvertrag als Alternative
Fehlt es an Liquidität für eine Abfindung, kann ein Erbvertrag sinnvoll sein, in dem dem Pflichtteilsberechtigten Privatvermögen oder bestimmte Vermögenswerte zugewendet werden.
Teilweiser Pflichtteilsverzicht (beschränkt auf Unternehmensbeteiligung)
Ist ein umfassender Verzicht nicht durchsetzbar, kommt ein beschränkter Verzicht in Betracht – etwa nur hinsichtlich des Unternehmens oder der Beteiligung.
Anrechnungsbestimmung bei Schenkungen
Frühere Zuwendungen sollten mit einer Anrechnungsbestimmung versehen werden: Der Beschenkte muss sich den Wert auf seinen späteren Pflichtteil anrechnen lassen. Wichtig: Die Bestimmung muss spätestens bei der Schenkung schriftlich angeordnet werden; nachträgliche Anordnungen sind unwirksam (§ 2315 BGB).
Vorweggenommene Erbfolge & Abschmelzung
Bei lebzeitigen Übertragungen vermindert sich der für Pflichtteilsergänzung maßgebliche Schenkungswert jährlich um ein Zehntel. Nach zehn Jahren bleibt die Schenkung unberücksichtigt (§ 2325 Abs. 3 BGB). Vorsicht: Vorbehalte wie Nießbrauch oder weitgehende, vom Schenker beherrschbare Rückforderungsrechte verhindern den Fristbeginn (§ 2325 Abs. 3 BGB).
Ausstattung statt Schenkung
Übertragungen zur Verheiratung oder zur Begründung einer selbständigen Lebensstellung (Ausstattung) lösen keine Pflichtteilsergänzung aus – soweit sie die Vermögensverhältnisse des Zuwendenden nicht übersteigen. Andernfalls gilt der übersteigende Teil als Schenkung.
Gesellschaftsrechtliche Gestaltung: Personengesellschaft & Abfindungsausschluss
Die Einbringung von Unternehmenswerten in eine Personengesellschaft (GbR, OHG, KG) unter Aufnahme des Nachfolgers kann pflichtteilsneutral sein, wenn der Nachfolger echte Mitunternehmerstellung mit Haftungs- und Mitwirkungspflichten übernimmt. Für den Todesfall kann ein Abfindungsausschluss vereinbart werden, der für alle Gesellschafter gilt und ohne Anzeichen eines zeitnahen Todes abgeschlossen wurde. Achtung: Reine Vermögensverwaltung ohne Haftungsrisiken (z. B. bloße Verwaltungsgesellschaft) kann als Schenkung gewertet werden.
Güterstandsgestaltung bei verheirateten Unternehmern
Der Güterstand beeinflusst Pflichtteilsquoten: Bei Gütertrennung sinkt der Pflichtteil des Ehegatten, während der der Kinder steigt, sofern zwei oder mehr Kinder vorhanden sind (§ 1931 Abs. 4 BGB). Ein Wechsel in die Zugewinngemeinschaft kann sinnvoll sein – auch wegen des steuerfreien Zugewinnausgleichs (§ 5 Abs. 1 ErbStG). Eheverträge können Unternehmensanteile vom Zugewinn ausnehmen.
Ehevertragliche Umgestaltungen & Patchwork
Bei Abkömmlingen aus früheren Beziehungen können ehevertragliche Vermögensverschiebungen helfen (z. B. Güterstandswechsel mit Ausgleich und späterer Rückwechsel). Wichtig ist die klare Dokumentation eines ehebedingten Motivs, um die Bewertung als pflichtteilsergänzungspflichtige Schenkung zu vermeiden.
Fazit
Pflichtteilsrechte sind ein zentraler Risikofaktor der Unternehmensnachfolge: Sie können akute Liquiditätsengpässe verursachen und den Fortbestand des Betriebs gefährden. Wer frühzeitig gestaltet – durch Pflichtteilsverzicht, Anrechnungsbestimmungen, vorweggenommene Erbfolge, geeignete gesellschafts- und güterrechtliche Strukturen sowie steuerliche Optimierung – reduziert Konflikt- und Zahlungsrisiken erheblich und schafft eine belastbare Nachfolgearchitektur
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