Herr Müller, ein kleiner Unternehmer aus Bayern, benötigt dringend einen Handelsregisterauszug. Nach einer kurzen Suche stößt er auf die Webseite handelsregisterportal.online. Dort wird ihm ein offizieller Auszug für 4,90 € angeboten – ein seriös wirkender Preis. Er gibt seine Daten ein, klickt auf „Jetzt bezahlen“ und glaubt, die Sache sei erledigt.
Doch Wochen später erhält er eine Mahnung: Statt der erwarteten geringen Gebühr soll er plötzlich 749 € für eine sogenannte „Freischaltgebühr“ zahlen. Hinter dem Portal steht die Firma Több Mint Partner mit angeblichem Sitz in Ungarn, die über verschiedene ausländische Bankkonten (z. B. Belgien, Großbritannien) agiert. Kurz darauf folgen Schreiben eines Inkassobüros. Herr Müller merkt: Er ist Opfer einer Handelsregister-Abzocke geworden.
Wie funktioniert die Masche?
- Auf der Webseite wird ein günstiger Handelsregisterauszug beworben (z. B. 4,90 €).
- Tatsächlich verbirgt sich dahinter ein Vertrag über eine Freischaltgebühr von 749 € oder gar ein Abo.
- Die Kosten werden häufig unauffällig platziert oder erst nach Bestellung kommuniziert.
- Betreiber wie Több Mint Partner erschweren die Rechtsdurchsetzung durch Sitz im Ausland und wechselnde Bankkonten.
- Inkassobüros werden eingesetzt, um zusätzlichen Druck aufzubauen.
Rechtliche Grundlagen
So schützt der Gesetzgeber Betroffene:
Die „Button-Lösung“ – § 312j BGB
Nach § 312j BGB ist ein Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr nur dann wirksam, wenn der Verbraucher unmittelbar vor Abgabe der Bestellung klar und verständlich über den Gesamtpreis informiert wird. Der Bestellbutton muss eindeutig beschriftet sein, etwa mit „zahlungspflichtig bestellen“. Versteckte Hinweise oder missverständliche Button-Texte reichen nicht.
AGB-Kontrolle und Überraschungsklauseln
Nach § 305c BGB werden überraschende Klauseln nicht Vertragsbestandteil. Eine versteckte „Freischaltgebühr“ in Höhe von 749 € ist eine typische Überraschungsklausel und daher unwirksam.
Anfechtung und Widerruf
Wer arglistig getäuscht wird, kann den Vertrag nach § 123 BGB anfechten.
Bei Fernabsatzverträgen besteht für Verbraucher zudem ein Widerrufsrecht (§ 355 BGB), sofern keine ordnungsgemäße Belehrung erfolgte.
Sittenwidrigkeit
Ein grobes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung kann nach § 138 BGB zur Nichtigkeit des Vertrags führen. Eine Gebühr von 749 € für einen simplen Registerauszug kann diesen Tatbestand erfüllen.
Einschlägige Rechtsprechung
So schützt die Rechtsprechung Betroffene:
BGH zu versteckten Entgeltklauseln (Branchenverzeichnis-Fälle)
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 26. Juli 2012 (Az. VII ZR 262/11) entschieden, dass eine Entgeltklausel, die drucktechnisch so unauffällig in ein Formular integriert ist, dass sie vom Vertragspartner nicht erwartet werden kann, eine Überraschungsklausel darstellt und unwirksam ist. Übertragen auf Handelsregisterabzocke bedeutet das: Eine versteckte Freischaltgebühr von 749 €, die nicht klar erkennbar ist, wird nicht Vertragsbestandteil.
BGH zur Button-Lösung (Opodo-Prime-Fall)
Mit Urteil vom 4. Juni 2024 (Az. X ZR 81/23) stellte der BGH klar, dass bei einem einheitlichen Bestellvorgang, in dem mehrere Leistungen gleichzeitig abgeschlossen werden (z. B. Hauptleistung und Abonnement), der Bestellbutton eindeutig zeigen muss, dass beide Verträge kostenpflichtig sind. Für Fälle wie handelsregisterportal.online ist dies hoch relevant: Wenn beim Klick auf „Jetzt bezahlen“ nicht eindeutig erkennbar ist, dass zusätzlich ein 749-€-Vertrag ausgelöst wird, ist dieser unwirksam.
LG Berlin zu unklaren Buttons
Auch das Landgericht Berlin hat entschieden (Urteil vom 17. Juli 2013, Az. 97 O 5/13), dass eine unzureichende oder missverständliche Button-Beschriftung den Vertrag nicht wirksam werden lässt.
Praktische Tipps für Betroffene
- Nicht zahlen – solange keine gerichtliche Entscheidung vorliegt.
- Schriftlich widersprechen und die Forderung ausdrücklich bestreiten.
- Anfechtung wegen Täuschung und hilfsweise Widerruf erklären.
- Inkassoschreiben dokumentieren, aber nicht verunsichern lassen.
- Rechtsrat einholen – ein Anwalt kann den Fall rechtlich fundiert abwehren und bei Bedarf eine Strafanzeige wegen Betrugs (§ 263 StGB) stellen.
Fazit
Die Praxis von Több Mint Partner mit Sitz in Ungarn zeigt exemplarisch, wie unseriöse Anbieter versuchen, mit versteckten Kosten Verbraucher und Unternehmer in teure Verträge zu locken. Doch die Rechtslage ist eindeutig: Die Button-Lösung (§ 312j BGB), die AGB-Kontrolle (§ 305c BGB) und die Anfechtung wegen Täuschung (§ 123 BGB) bieten wirksame Mittel zur Verteidigung.
Die einschlägige Rechtsprechung des BGH und der Landgerichte bestätigt: Wer solche Forderungen bestreitet und rechtzeitig reagiert, kann die Zahlungen erfolgreich abwehren.


