Private Personalberater (auch Headhunter oder Recruiter) erhalten ihr Honorar fast immer ausschließlich vom Auftraggeber, also dem suchenden Arbeitgeber. Auch wenn die gesetzliche Regelung des § 296 SGB III zur einseitigen Arbeitgebervergütung aufgehoben wurde, hat sich dieser Marktstandard erhalten.
Typisch ist ein prozentuales Vermittlungshonorar auf Basis des Bruttojahresgehalts des Kandidaten (zwischen 20 % und 35 %). Es wird in zwei Tranchen fällig: ein Teil bei Vertragsunterzeichnung, der Rest nach Ablauf einer vertraglich definierten „Garantiedauer“ (häufig drei bis sechs Monate). Doch das Modell, dass Arbeitgeber für die Vermittlung von Personal bezahlen, kann auch leicht missbraucht werden, wenn sich Personalberater und Kandidaten zusammentun, und durch das Zusammenspiel von Vermittlung, Zahlung und Kündigung, Unternehmen, die händeringend Personal suchen, bewusst schädigen. Wir sagen Ihnen, worauf Sie als Unternehmer achten müssen, damit die kostspielige Personalsuche nicht auch am Ende noch ärgerlich wird.
„No-refund“-Klauseln und die Rolle des Kündigungszeitpunkts
Viele Vermittlungsverträge sehen vor, dass der Personalberater das Honorar endgültig behalten darf, wenn das Arbeitsverhältnis eine bestimmte Mindestzeit (z. B. sechs Monate) bestanden hat, selbst wenn der Arbeitgeber danach kündigt. Diese Klauseln sollen das Risiko der vorzeitigen Trennung zugunsten des Beraters begrenzen.
Das perfide Geschäftsmodell: Kandidat und Berater als „Doppelabzocke“
Immer wieder tauchen Fälle auf, in denen Personalberater und ihre Kandidaten zusammenarbeiten, um das oben beschriebene Garantiefenster auszunutzen:
- Phase 1 – Vermittlung: Der Kandidat wird über den Berater eingestellt; das Unternehmen zahlt die erste Provisionstranche.
- Phase 2 – Garantiefenster: Kandidat und Berater warten ab, bis die vertragliche Rückzahlungsfrist abgelaufen ist.
- Phase 3 – Kündigung: Der Kandidat provoziert die Kündigung oder kündigt selbst, um erneut vermittelbar zu sein.
- Phase 4 – Wiederholung: Der Kreis beginnt bei einem neuen Arbeitgeber von vorn.
Zwar fehlt hierzu bislang höchstrichterliche Rechtsprechung; doch das Modell erfüllt regelmäßig den Tatbestand der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) und kann als gewerbsmäßiger Betrug (§ 263 StGB) verfolgt werden. Im Zivilrecht kommt zudem ein Schadensersatzanspruch gegen den Berater wegen vorsätzlicher Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 BGB, § 241 Abs. 2 BGB und § 826 BGB in Betracht.
Zivilrechtliche Leitplanken und einschlägige Rechtsprechung
Rechtsfrage | Rechtsgrundlage / Entscheidung | Kernaussage |
---|---|---|
Angemessenheit von Vermittlungshonoraren | BGH, Urt. v. 10.11.2011 – III ZR 77/11 | Degressive Vermittlungsgebühren bis 15 % des Jahresgehalts können wirksam sein, solange sie § 307 BGB nicht verletzen. |
Rückzahlungsklauseln bei Arbeitnehmern | BAG, Urt. v. 20.06.2023 – 1 AZR 265/22 | Arbeitnehmer dürfen nicht mit den Vermittlungskosten belastet werden; entsprechende Klauseln verstoßen gegen § 307 BGB. |
Haftung des Personalberaters bei Pflichtverstoß | § 280 Abs. 1 BGB, § 241 Abs. 2 BGB | Verletzungen von Nebenpflichten (z. B. Kandidatenprüfung) begründen Schadensersatzpflicht. |
Strafrechtliche Bewertung kollusiven Handelns | § 263 StGB | Vorsätzliche Täuschung durch abgestimmtes Verhalten von Berater und Kandidat erfüllt regelmäßig den Betrugstatbestand. |
Sittenwidrige Schädigung durch Systemausnutzung | § 826 BGB | Das gezielte Ausnutzen von Rückzahlungsfristen durch abgesprochene Kündigungen kann eine sittenwidrige Schädigung darstellen. |
Präventionsmaßnahmen für Arbeitgeber
1. Background-Checks intensivieren
- Lückenloser Lebenslauf, Referenzen und Arbeitszeugnisse anfordern.
- Abgleich von Beschäftigungszeiten: Häufige Wechsel unter zwölf Monaten sind ein Warnsignal.
2. Transparente Provisionsklauseln
- Staffelungen mit echtem Rückerstattungsrecht bei verhaltensbedingter Kündigung innerhalb von sechs bis zwölf Monaten.
- Konventionalstrafe bei nachweisbarer Kollusion.
3. Vertragliche Zusicherungen
- Garantie des Beraters, keine Absprachen mit Kandidaten über Kündigungen zu treffen.
- Auditrechte (DSGVO-konform).
4. Black-List-System
- Interne Liste auffälliger Berater/Kandidaten.
- Vernetzung über Branchenverbände – kartellrechtliche Vorgaben beachten.
5. Schadensersatz-Vorbehalte
- Ausdrückliche Vertragsklausel zum Ersatz bereits gezahlter Provisionen im Betrugsfall.
Vertragsgestaltung – Best-Practice-Klauseln
- Money-back-Garantie: Rückerstattung von 60–100 % der Provision, wenn das Arbeitsverhältnis unter neun Monate endet.
- Kandidatenausschluss: Verbot der erneuten Vermittlung desselben Kandidaten an denselben Arbeitgeber für 18 Monate.
- Nachvermittlungsverbot: Vermittler verpflichtet sich, denselben Kandidaten nicht binnen 24 Monaten erneut bei anderen Arbeitgebern vorzustellen.
Eigene juristische Bewertung
Das dargestellte Geschäftsmodell ist ein klassischer Dreiecksbetrug. Arbeitgeber tragen allein das finanzielle Risiko und haben zugleich geringste Informationsmacht. Zivilrechtlich lassen sich Rückzahlungs- und Schadensersatzansprüche rechtssicher verankern; strafrechtlich empfiehlt sich die konsequente Strafanzeige.
Fazit
Personalberater können eine wertvolle Unterstützung bei der Rekrutierung qualifizierter Fachkräfte sein – doch nicht jeder agiert im Interesse des vermittelnden Unternehmens. Das Geschäftsmodell der Personalberaterabzocke zeigt, wie anfällig das System für Missbrauch ist, wenn es an Transparenz, Kontrolle und rechtlicher Absicherung fehlt. Arbeitgeber sollten bei der Zusammenarbeit mit Vermittlern stets auf vertragliche Klarheit, Rückzahlungsmechanismen und kritische Prüfung der Kandidatenlaufbahnen achten.
Unsere Kanzlei unterstützt Sie gerne bei der rechtssicheren Vertragsgestaltung, bei Verdachtsfällen von Beraterbetrug und bei der Durchsetzung Ihrer Schadensersatzansprüche – kompetent, diskret und mit dem notwendigen Weitblick.