In der anwaltlichen Praxis kommt es immer wieder vor, dass das Original eines Testaments nicht mehr auffindbar ist – sei es durch Verlust, Vernichtung oder schlichtes Verschwinden. Dann stellt sich die Kernfrage: Reicht eine Kopie, gegebenenfalls gestützt durch Zeugenaussagen, aus, um die Erbenstellung zu belegen und einen Erbschein zu erhalten? Oder ist das Original stets unverzichtbar?
Eine aktuelle Entscheidung des OLG Zweibrücken (Beschluss vom 07.08.2025 – 8 W 66/24) unterstreicht, wie streng die Gerichte die Beweiskraft bloßer Kopien beurteilen. Nachfolgend erhalten Sie einen strukturierten Überblick über die Rechtslage, die Rechtsprechungslinien und konkrete Praxishinweise.
Gesetzliche Grundlagen und Grundsatz: Originalerfordernis
Ein privatschriftliches Testament muss eigenhändig geschrieben und unterschrieben sein, vgl. § 2247 BGB. Fehlt die Unterschrift, ist die letztwillige Verfügung unwirksam; eine Kopie kann daran nichts ändern. Das Nachlassgericht erteilt einen Erbschein nur, wenn das Erbrecht feststeht (§ 2353 BGB).
Für das Erbscheinverfahren gilt: Ist ein Testament vorhanden, ist es im Original vorzulegen. Ist das Original unauffindbar, kann der Nachweis des Erbrechts auch auf andere Weise geführt werden. Daraus folgt der Grundsatz: Das Original hat Vorrang; die Kopie bleibt die eng begrenzte Ausnahme.
Rechtsprechung: Strenge Maßstäbe an die Testamentskopie
Die frühere Lebensgefährtin des Erblassers beantragte einen Erbschein als Alleinerbin und legte hierfür lediglich eine Kopie eines handschriftlichen Testaments vor. Bereits das AG Ludwigshafen (Beschluss vom 19.03.2024 – 8a VI 301/23) wies den Antrag zurück. Das OLG Zweibrücken bestätigte diese Entscheidung.
Leitgedanke des Beschlusses: Zum Nachweis eines testamentarischen Erbrechts ist grundsätzlich das Original vorzulegen. Eine Kopie kommt nur ausnahmsweise in Betracht – insbesondere dann, wenn das Original ohne Zutun des Erblassers vernichtet wurde oder unauffindbar ist –, und nur, wenn Errichtung, Form und Inhalt des Testaments so sicher feststehen, als läge das Original vor. Dies entspricht den gesetzlichen Leitbild sowie den strikten Formanforderungen des § 2247 BGB.
Im konkreten Fall bestanden erhebliche Zweifel: Die Aussagen der Zeuginnen waren widersprüchlich (Zeitpunkt und Ablauf der Errichtung), der umfangreiche Inhalt (mehrere Seiten, Begünstigte, Kontodaten, Versicherungsangaben) schien in der geschilderten Situation kaum plausibel erstellbar, und vor allem hatte keine Zeugin die eigenhändige Unterschrift gesehen. Gerade diese Unterschrift ist aber das konstitutive Wirksamkeitserfordernis nach § 2247 BGB. Folgerichtig reichte die Kopie nicht aus, um das Erbrecht festzustellen (§ 2353 BGB).
Wann kann eine Kopie ausnahmsweise genügen?
Aus der Rechtsprechung lassen sich Kriterien ableiten, die kumulativ möglichst erfüllt sein sollten, damit eine Kopie den Nachweis des Erbrechts tragen kann:
- Original unauffindbar ohne Zutun des Erblassers: Substantiierte Darlegung, dass kein widerruflicher Vernichtungsakt vorliegt, sondern Verlust/Unauffindbarkeit ohne Widerrufswillen.
- Lückenlose Beweisführung zu Errichtung, Form und Inhalt: Die Beweislage muss so sicher sein, als läge das Original vor (Zeugen, frühere Fassungen, Entwürfe, Korrespondenz, Auffindesituation der Kopie).
- Zeugen mit klarer Beobachtung der Unterschrift: Idealerweise bestätigen Zeugen, den Unterschriftsakt wahrgenommen zu haben (Schlüsselpunkt aus § 2247 BGB).
- Plausibler Errichtungsablauf: Stimmige, widerspruchsfreie Schilderung der Umstände und zeitlichen Abläufe.
- Passender Detailgrad: Der in der Kopie enthaltene Informationsumfang muss mit den geschilderten Errichtungsumständen vereinbar sein.
Praktische Empfehlungen für Erblasser und Erben
Vorsorge ist besser als Nachsicht. Deshalb
- Original sicher aufbewahren oder hinterlegen
Um Beweisprobleme zu vermeiden, sollte das Originaltestament sicher verwahrt oder hinterlegt werden – etwa in amtlicher Verwahrung beim Nachlassgericht; beachten Sie im Übrigen die Systematik der Nachlassabwicklung und Verwaltung in § 2214 BGB (Pflichten des Testamentsvollstreckers) als Teil des erbrechtlichen Ordnungsrahmens.
- Notarielle Errichtung erwägen
Je nach Komplexität kann ein notarielles Testament (§ 2232 BGB) sinnvoll sein. Öffentliche Urkunden bieten in der Praxis regelmäßig höhere Beweissicherheit als eine privatschriftliche Verfügung nach § 2247 BGB.
- Beweismittel früh sichern
Existieren Kopien, Entwürfe, E-Mail-Entwürfe oder Zeugen der Errichtung, sollten diese Belege frühzeitig dokumentiert werden.
Fazit
Die bloße Kopie eines Testaments genügt regelmäßig nicht zum Nachweis der Erbenstellung. Nach dem Grundsatz des Originalerfordernisses in Zusammenschau mit § 2353 BGB und den Formanforderungen des § 2247 BGB) kommen Kopien nur ausnahmsweise in Betracht, wenn das Original ohne Zutun des Erblassers unauffindbar ist und Errichtung, Form und Inhalt so sicher feststehen, als läge das Original vor. Das OLG Zweibrücken (Beschluss vom 07.08.2025 – 8 W 66/24) bestätigt diese strengen Maßstäbe: Widersprüche im Geschehensablauf, fehlende Plausibilität oder – besonders gravierend – das Fehlen einer beobachteten eigenhändigen Unterschrift führen regelmäßig zur Ablehnung. Wer auf Nummer sicher gehen will, sorgt für sichere Verwahrung des Originals bzw. erwägt die notarielle Errichtung (§ 2232 BGB) und sichert frühzeitig Beweise. So steigen die Chancen erheblich, dass ein Erbschein erteilt wird – auch dann, wenn das Original im Einzelfall nicht mehr verfügbar ist.