Begriffe wie „Digital Native“, „junges, dynamisches Team“ oder „Team Buddy“ klingen modern – sind aber juristisch hochriskant. Arbeitgeber, die solche Formulierungen in ihren Stellenausschreibungen verwenden, laufen Gefahr, gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu verstoßen – mit teuren Folgen.
Was bedeutet „Digital Native“ – und warum ist die Formulierung problematisch?
Der Begriff „Digital Native“ beschreibt Menschen, die mit digitalen Technologien aufgewachsen sind – meist ab der Jahrtausendwende geborene Personen. Im Sprachgebrauch wird er daher oft mit jüngeren Generationen gleichgesetzt.
In rechtlicher Hinsicht liegt darin ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot aus § 7 Abs. 1 AGG in Verbindung mit § 1 AGG. Auch wenn der Begriff vermeintlich modern und harmlos klingt – seine Verwendung kann eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters darstellen, was wiederum zu Entschädigungsansprüchen nach § 15 Abs. 2 AGG führen kann.
Aktuelle Rechtsprechung: LAG Baden-Württemberg bejaht Altersdiskriminierung
Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg entschied mit Urteil vom 07.11.2024 – 17 Sa 2/24, dass die Verwendung des Begriffs „Digital Native“ in einer Stellenausschreibung ein starkes Indiz für eine altersbezogene Diskriminierung darstellt.
Ein 52-jähriger Bewerber hatte sich auf eine Stelle beworben, in der u. a. ein „Digital Native“ und ein „Teambuddy“ für ein „junges, dynamisches Team“ gesucht wurde. Nach der Absage klagte er erfolgreich auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Das Gericht sah im Begriff „Digital Native“ einen klaren Bezug zu jüngeren Generationen, was ältere Bewerber abschrecke oder ausschließe – ein Verstoß gegen § 11 AGG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 AGG.
Scheinbewerber – gezielte Ausnutzung von AGG-Verstößen
Ein besonders heikles Thema ist die Zunahme sogenannter Scheinbewerbungen (sog. AGG-Hopping). Dabei handelt es sich um Bewerber, die sich mit dem Ziel bewerben, Entschädigungen nach dem AGG geltend zu machen.
Typisches Vorgehen
- Gezielte Suche nach diskriminierenden Formulierungen wie „junges Team“ oder „Digital Native“
- Bewerbung – oft ohne ernsthaftes Interesse
- Absage – anschließend sofortige Geltendmachung eines Anspruchs auf Entschädigung
Das Vorgehen ist rechtlich nicht per se rechtsmissbräuchlich. Gerichte prüfen jedoch genau, ob tatsächlich ein Indiz im Sinne des § 22 AGG vorliegt. Ist dies der Fall, muss der Arbeitgeber beweisen, dass kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vorliegt.
Warum die Rechtsverteidigung in solchen Fällen schwierig ist
Die Beweislastumkehr nach § 22 AGG führt dazu, dass Arbeitgeber nachweisen müssen, dass die Ablehnung eines Bewerbers ausschließlich auf sachlichen Gründen beruhte. In der Praxis ist dies oft schwierig, insbesondere wenn standardisierte Absageschreiben verwendet wurden und keine ausreichende Dokumentation der Auswahlentscheidung vorliegt. Besser sieht es aus, wenn der Arbeitgeber darlegen und beweisen kann, dass der Bewerber sich in einer Vielzahl von Fällen auf unterschiedlichste Stellen, stets mit dem Ziel Entschädigungen Schadenersatz geltend zu machen, beworben hat. Dieser Nachweis ist ohne genaue Marktkenntnisse in der Praxis kaum zu führen.
Was Arbeitgeber beachten sollten
- Bewertungsbögen und Auswahlkriterien schriftlich dokumentieren
- Absageschreiben nicht vorschnell versenden
- Juristische Begleitung bei Zweifelsfällen frühzeitig einholen
Empfehlungen für Arbeitgeber – so vermeiden Sie unnötige Risiken
Do:
- Kompetenzorientierte Formulierungen („Erfahrung mit digitalen Tools“ statt „Digital Native“)
- Neutrale Sprache ohne Altersbezug
- Dokumentierte und objektive Auswahlprozesse
Don’t:
- Begriffe wie „jung“, „dynamisch“, „Team Buddy“, „Berufseinsteiger“
- Angaben wie „max. 35 Jahre“ oder „digital affiner Absolvent“
- Absageschreiben mit subjektiven Aussagen ohne Belege
Fazit: Sprachliche Sorgfalt schützt vor teuren Fehlern
Begriffe wie „Digital Native“, „junges Team“ oder „Team Buddy“ mögen im Recruiting modern wirken – rechtlich sind sie jedoch brandgefährlich. Sie schaffen Indizien für eine altersbezogene Diskriminierung nach dem AGG und können durch Scheinbewerber gezielt ausgenutzt werden.
Die Verteidigung gegen entsprechende Entschädigungsforderungen ist zwar nicht aussichtslos, aber mit hohem Aufwand verbunden. Arbeitgeber sind daher gut beraten, neutrale, kompetenzbasierte Ausschreibungen zu formulieren und die Auswahlprozesse sorgfältig zu dokumentieren.
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