Gute Arbeitskräfte sind in vielen Branchen Mangelware. Gleichzeitig steigen die Lebenshaltungskosten in Deutschland seit Jahren erheblich. Viele Menschen fragen sich daher zu Recht, ob sie sich den Ruhestand überhaupt leisten können – insbesondere, wenn die gesetzliche Rente nicht ausreicht, um Miete, Energie, Lebensmittel und Gesundheitskosten zu decken. Vor diesem Hintergrund wird die Frage der Weiterbeschäftigung über das gesetzliche Rentenalter hinaus zunehmend praxisrelevant – und kann sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber zur echten Win-Win-Situation werden.
Doch welche rechtlichen Möglichkeiten gibt es für eine Beschäftigung nach Renteneintritt? Was gilt arbeitsrechtlich und was sozialversicherungsrechtlich? Und wie lassen sich Fehler vermeiden, die später zu Streitigkeiten führen können? Im Folgenden klären wir die wichtigsten Punkte zur Weiterbeschäftigung von Rentnerinnen und Rentnern aus juristischer Sicht.
Rechtslage: Wann endet das Arbeitsverhältnis automatisch mit Renteneintritt?
Nach dem Gesetz § 41 SGB VI endet ein Arbeitsverhältnis nicht automatisch mit Erreichen der sogenannten Regelaltersgrenze. Vielmehr muss dies ausdrücklich im Arbeitsvertrag vereinbart sein. Typisch sind sogenannte Altersgrenzenklauseln, wonach das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats endet, in dem der Arbeitnehmer die Voraussetzungen für den Bezug einer ungekürzten Altersrente erfüllt.
Solche Klauseln sind von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, Urteil vom 11. Februar 2015 – 7 AZR 17/13) grundsätzlich als wirksam anerkannt worden, sofern sie klar und eindeutig formuliert sind.
Fehlt eine entsprechende Vereinbarung, läuft das Arbeitsverhältnis trotz Erreichen der Altersgrenze weiter – die Rentenberechtigung allein beendet den Vertrag nicht automatisch.
Fall 1: Das Arbeitsverhältnis besteht noch – Hinausschiebensvereinbarung möglich
Besteht das Arbeitsverhältnis fort und steht der Renteneintritt bevor, bietet § 41 Satz 3 SGB VI eine klare Möglichkeit: Der Beendigungszeitpunkt kann einvernehmlich hinausgeschoben werden.
Voraussetzungen und Vorteile
- Schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber
- Abschluss vor dem ursprünglich vereinbarten Beendigungsdatum
- Fortführung des bestehenden Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Bedingungen
Der Betriebsrat ist in der Regel nach § 99 BetrVG zu beteiligen, da es sich arbeitsrechtlich um eine „Einstellung“ bzw. Vertragsänderung handelt.
Fall 2: Das Arbeitsverhältnis ist bereits beendet – Neuanstellung erforderlich
Ist das Arbeitsverhältnis bereits durch Eintritt des Rentenalters beendet – etwa weil die Altersgrenzenklausel im Vertrag gegriffen hat und keine rechtzeitige Verlängerung vereinbart wurde – muss eine Neueinstellung erfolgen.
Diese ist grundsätzlich zulässig, kann aber nur befristet abgeschlossen werden, wenn ein sachlicher Grund nach § 14 Abs. 1 TzBfG vorliegt (z. B. Projektarbeit, zeitlich begrenzter Bedarf oder Wunsch des Arbeitnehmers).
Die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG ist nicht möglich, wenn zuvor schon ein Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber bestand.
Sozialversicherung: Welche Beiträge fallen an?
Auch im Rentenalter bleibt ein Arbeitsverhältnis in der Regel sozialversicherungspflichtig – allerdings mit Besonderheiten:
Versicherungszweig | Arbeitnehmerpflicht | Arbeitgeberpflicht | Besonderheiten |
---|---|---|---|
Krankenversicherung | ✔️ Ja | ✔️ Ja | In der Regel über KVdR (Krankenversicherung der Rentner) |
Pflegeversicherung | ✔️ Ja | ✔️ Ja | Unverändert wie bei aktiven Arbeitnehmern |
Rentenversicherung | ❌ (befreit) | ✔️ Ja | Arbeitnehmer kann auf Antrag freiwillig weiter einzahlen (§ 187a SGB VI) |
Arbeitslosenversicherung | ❌ Nein | ✔️ Ja | Pflichtbeitrag des Arbeitgebers gemäß § 28 Abs. 1 SGB III |
Seit dem 1. Januar 2023 gilt zudem: Es gibt keine Hinzuverdienstgrenze mehr für Altersrentner. Das bedeutet: Wer regulär Altersrente bezieht, kann uneingeschränkt hinzuverdienen, ohne dass die Rente gekürzt wird.
Fazit: Beschäftigung nach Renteneintritt rechtssicher gestalten
Die Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern über das Rentenalter hinaus ist nicht nur gesellschaftlich sinnvoll, sondern auch arbeitsrechtlich gut umsetzbar – wenn die Spielregeln eingehalten werden. Entscheidend ist die frühzeitige und schriftliche Gestaltung: Ist das Arbeitsverhältnis noch nicht beendet, sollte eine Hinausschiebensvereinbarung nach § 41 SGB VI geschlossen werden. Ist es bereits beendet, muss ein neuer Vertrag mit rechtssicherer Befristung abgeschlossen werden.
Zudem sollten sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer die sozialversicherungsrechtlichen Besonderheiten beachten und gegebenenfalls Rücksprache mit dem Rentenversicherungsträger oder einem Anwalt halten.
Unser Tipp als Kanzlei: Vereinbarungen zur Weiterarbeit sollten nie auf den letzten Drücker getroffen werden. Planen Sie rechtzeitig, um sowohl rechtliche als auch wirtschaftliche Vorteile optimal zu nutzen.