Stellen Sie sich vor, Sie kaufen sich für knapp 40.000 € einen Neuwagen, bei dem im Display immer wieder, wie sich später herausstellt zu Unrecht, die Meldung angezeigt wird, sie müssen das Fahrzeug mindestens 45 Minuten stehen lassen, um die Kupplung abkühlen zu lassen. Bei mehreren Werkstattaufenthalten gelingt es nicht Abhilfe zu schaffen, dass diese Fehlermeldung nicht mehr angezeigt wird. Der Verkäufer teilt lediglich mit, dass Sie die Fehlermeldung nicht beachten sollen. Daraufhin verlangen Sie die Ersatzlieferung eines neuen Fahrzeugs. Anlässlich eines Werkstattaufenthalts spielt dann, der Händler, ohne dass Sie darüber informiert worden wären oder Ihre Zustimmung erteilt hätten, ein Software-Update auf, das den Fehler beseitigt haben soll und verweigert unter Bezugnahme darauf die Lieferung eines Neufahrzeugs. Mit genau so einem Fall hat sich der BGH in seinem Urteil vom 24. Oktober 2018 (VIII ZR 66/17) befasst und dabei entschieden, dass ein Anspruch auf Ersatzlieferung trotz nachträglicher Mängelbeseitigung bestehen kann.
Fehlerhafte Warnmeldung treibt Käufer eines Neuwagens dazu Ersatzlieferung zu verlangen
Im entschiedenen Rechtsstreit hat der Kläger im September 2012 einen BMW X3 für 38.265 € gekauft. Das Fahrzeug hatte ein Schaltgetriebe. Zum Schutz der Kupplung vor Überhitzung war das Fahrzeug serienmäßig mit einer Software ausgestattet, die bei einer drohender Überhitzung der Kupplung eine Warnmeldung im Display des Autoradios ausgeben sollte. Ab Januar 2013 ist der Käufer dann mehrfach über das Display des Fahrzeugs aufgefordert worden, das Fahrzeug vorsichtig anzuhalten, um die Kupplung bis zu 45 Minuten abkühlen zu lassen. Trotz mehrere Aufenthalte in einer Werkstatt des Herstellers verschwand die Warnmeldung nicht dauerhaft. Gleichwohl war dem Kläger gesagt worden, er könne diese einfach ignorieren, weil die Kupplung auch während der Fahrt abkühlen könne. Damit wollte sich der Kläger aber nicht zufrieden geben, sondern verlangte nun die Lieferung eines neuen, mangelfreien Fahrzeugs.
Da der Autohändler der Aufforderung nicht freiwillig nachkam, zog der enttäuschte Käufer schließlich vor Gericht.
Nachträgliches Software Update soll Problem beseitigt haben
Da die Mühlen der Justiz bekanntlich langsam mahlen, und der Kläger zwangsläufig das Fahrzeug weiterfahren musste, gab dieser das Fahrzeug im Oktober 2014 zu einem Kundendienst zur Beklagten. Die Beklagte behauptet nunmehr, sie habe bei dieser Gelegenheit ein zwischenzeitlich zur Verfügung stehendes Software-Update aufgespielt, sodass nunmehr der Mangel endgültig beseitigt sei.
Ist die Ersatzlieferung nun unverhältnismäßig?
Das OLG hat den Händler zu Ersatzlieferung verurteilt. Auf dessen Revision hat nun der BGH das Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung wieder an das OLG zurückverwiesen.
Geliefertes Fahrzeug war mangelhaft
Im Einklang mit dem OLG haben die Richter zunächst bestätigt, dass das gelieferte Fahrzeug bei Übergabe einen Sachmangel aufwies. Dies deshalb, weil die Software eine Warnmeldung eingeblendet hat, mit der der Fahrer des Fahrzeugs zum Anhalten aufgefordert worden ist, obwohl dies objektiv nicht erforderlich war. Damit habe sich das Fahrzeug weder für die gewöhnliche Verwendung geeignet noch habe es eine Beschaffenheit aufgewiesen, die bei Sachen der gleichen Art üblich sei und die ein Käufer nach Art der Sache erwarten könne (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB). An dieser Beurteilung als Sachmangel ändere es nichts, wenn – wie hier behauptet – der Verkäufer dem Käufer mitteilt, es sei nicht notwendig, die irreführende Warnmeldung zu beachten. Dies gelte auch dann, wenn der Verkäufer (wie die Beklagte) zugleich der Hersteller des Fahrzeugs ist.
Weiter haben die Richter klargestellt, dass die Ausübung des Nacherfüllungsanspruchs mangels Gestaltungswirkung für den Käufer nicht bindend ist. Er kann daher problemlos von der zunächst verlangten Nachbesserung auf Ersatzlieferung wechseln.
Wahlrecht des Käufers wird nicht durch ohne seine Zustimmung durchgeführte nachträgliche Mängelbeseitigung beschnitten
Dem Verlangen auf Lieferung eines Ersatzfahrzeugs steht, so die Richter, auch nicht entgegen, wenn der Mangel nachträglich ohne Einverständnis des Käufers beseitigt worden ist. Dadurch, dass der Kläger sein Fahrzeug lediglich zu einer Inspektion gegeben hatte, hatte er weder ausdrücklich noch konkludent sein Einverständnis mit einer solchen Mängelbeseitigung erteilt.
Ungeklärt ist aber die Frage, ob der Mangel tatsächlich dauerhaft beseitigt wurde und dadurch eine Ersatzlieferung unverhältnismäßig ist
Der BGH hat das Urteil des OLG aber deshalb aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an das OLG zurückverwiesen, weil der Autohändler sich auf die Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung im Sinne von § 439 Abs. 4 S. 1 BGB berufen hatte. Dies müsse deshalb vom Gericht aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des konkreten Einzelfalls beurteilt werden. Bevor allerdings jeder eine solche Abwägung eingestiegen werden kann, muss nunmehr das Berufungsgericht durch Einholung eines weiteren Gutachtens klären, ob durch das Software Update, wie die Beklagte behauptet hat, tatsächlich der Mangel dauerhaft behoben wurde, oder aber ob die Beklagte nur eine Möglichkeit gefunden hat, die lästige Warnmeldung einfach abzustellen.