Ein Aufhebungsvertrag kann für Arbeitnehmer eine verlockende Alternative zur Kündigung darstellen – insbesondere wenn eine Abfindung winkt. Doch wer den Abschluss später bereut, hat es schwer, sich von der Vereinbarung wieder zu lösen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg hat in einer aktuellen Entscheidung (Urt. v. 02.10.2024 – 4 SLa 29/24) die rechtlichen Anforderungen für eine erfolgreiche Anfechtung konkretisiert – und dabei hohe Maßstäbe gesetzt. Dieser Beitrag beleuchtet die zentralen Aspekte dieser Rechtsprechung und erläutert, worauf Arbeitnehmer und Rechtsanwälte achten müssen.
Hintergrund: Ein Arbeitnehmer zieht selbst die Trennung in Betracht
Dem Urteil lag ein Fall zugrunde, in dem ein seit über 30 Jahren beschäftigter Lagerarbeiter in einem handschriftlichen Zettel gegenüber seiner Arbeitgeberin die Optionen „Altersteilzeit! Oder Abfindung oder Vorruhestand“ äußerte und sogar schrieb „ich möchte kündigen“. Nach einer Krankheitsphase bot die Arbeitgeberin einen Aufhebungsvertrag mit Abfindung an. Der Arbeitnehmer unterschrieb – erklärte später jedoch die Anfechtung wegen angeblichen Drucks und mangelnder Information über die Folgen.
Die Klage auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses hatte weder vor dem Arbeitsgericht noch vor dem LAG Erfolg.
Formfehler: Keine Vollmacht – keine Anfechtung
Schon aus formalen Gründen scheiterte die Anfechtung. Die vom Anwalt erklärte Anfechtung nach § 119 BGB war unwirksam, weil keine Vollmachtsurkunde beigefügt war (§ 174 Satz 1 BGB). Die Arbeitgeberin wies die Erklärung fristgerecht zurück – rechtmäßig, wie das Gericht befand. Es bekräftigte damit die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts: Eine Zurückweisung innerhalb von sieben Tagen gilt als „unverzüglich“.
Anfechtung aus inhaltlichen Gründen? Nicht ohne konkreten Vortrag
Arglistige Täuschung
Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 Abs. 1 BGB) lehnte das Gericht ab. Die Initiative zur Vertragsauflösung sei vom Kläger selbst ausgegangen. Zudem sei er ausdrücklich auf mögliche Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld und die Freiwilligkeit des Abschlusses hingewiesen worden.
Drohung mit empfindlichem Übel
Auch eine Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung verwarf das LAG. Zwar habe sich der Kläger bedrängt gefühlt, unter anderem durch wiederholte Anrufe einer Vorgesetzten. Doch er habe nicht konkret dargelegt, welches empfindliche Übel ihm angedroht worden sei. Eine bloße als unangenehm empfundene Gesprächsatmosphäre genüge nicht.
„Faires Verhandeln“ ist nicht dasselbe wie eine angenehme Atmosphäre
Das Gericht setzte sich auch mit dem Gebot fairen Verhandelns auseinander, das aus § 241 Abs. 2 BGB folgt. Dieses könne verletzt sein, wenn ein Arbeitgeber die Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers in missbilligenswerter Weise beeinflusse. Hier sah das Gericht aber keinen solchen Verstoß: Der Kläger habe den Vertrag zur Prüfung mitnehmen dürfen und die Gespräche hätten unter Beteiligung der Betriebsratsvorsitzenden stattgefunden. Das reiche aus, um von einem Mindestmaß an Fairness auszugehen.
Sittenwidrigkeit nur bei grobem Missverhältnis
Dass der Kläger eine Abfindung von nur 10.000 EUR für eine Beschäftigungsdauer von fast 32 Jahren erhalten habe, begründe ebenfalls keine Unwirksamkeit. Zwar könne ein grobes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung zur Sittenwidrigkeit führen (§ 138 Abs. 1 BGB), doch seien im konkreten Fall keine Umstände ersichtlich, die eine solche Annahme rechtfertigten. Auch hier betonte das Gericht, dass der Vorschlag zur Vertragsauflösung vom Kläger selbst ausgegangen sei.
Fazit: Eine Anfechtung muss gut vorbereitet und sauber begründet sein
Die Entscheidung des LAG Nürnberg bestätigt die ständige Rechtsprechung: Aufhebungsverträge sind nur unter engen Voraussetzungen anfechtbar. Eine spätere Unzufriedenheit oder subjektiv empfundener Druck reichen in der Regel nicht aus. Wer sich auf Anfechtungsgründe berufen will, muss diese präzise und nachweisbar darlegen – etwa durch dokumentierte Gesprächsverläufe oder Zeugen. Auch formale Anforderungen wie die Beifügung einer Vollmachtsurkunde dürfen nicht unterschätzt werden.
Für Arbeitnehmer bedeutet das: Unterschreiben Sie keinen Aufhebungsvertrag unüberlegt. Lassen Sie sich anwaltlich beraten, bevor Sie eine Bindung eingehen, die sich später nicht ohne Weiteres rückgängig machen lässt. Für Arbeitgeber bietet das Urteil Bestätigung: Wer transparent informiert und ausreichend Bedenkzeit einräumt, braucht keine rechtlichen Nachteile zu befürchten – selbst wenn der Vertrag für den Arbeitnehmer wirtschaftlich nachteilig ist.