Immer wieder beschäftigt deutsche Nachlassgerichte eine besondere Konstellation im Erbrecht: Ein Testament wird behauptet – doch das Original ist verschwunden. Was gilt in einem solchen Fall? Wer trägt die Beweislast? Und reicht eine bloße Kopie oder gar eine Zeugenaussage aus, um ein Erbrecht nachzuweisen? Die aktuelle Rechtsprechung, insbesondere eine Entscheidung des OLG Brandenburg vom 31.03.2025 (Az. 3 W 53/24), bringt hierzu wichtige Klarstellungen.
Die rechtliche Ausgangslage: Formvorschriften und Beweislast
Grundsätzlich gilt: Wer sich auf ein Testament beruft, muss § 2356 BGB beachten. Dort heißt es, dass das testamentarische Erbrecht durch Vorlage der Urschrift der letztwilligen Verfügung nachzuweisen ist. In der Praxis bedeutet das: Das Original muss vorgelegt werden. Doch was, wenn es nicht mehr existiert?
Nach gefestigter Rechtsprechung, u. a. § 2255 BGB zufolge, bedeutet die bloße Unauffindbarkeit eines Testaments nicht automatisch dessen Unwirksamkeit. Vielmehr kann dessen Existenz und Inhalt auch durch andere Beweismittel festgestellt werden. Der Grundsatz lautet: Fehlt das Original, können Errichtung und Inhalt mit allen zulässigen Beweismitteln nachgewiesen werden. Dabei gilt jedoch: Die Beweislast trifft stets denjenigen, der sich auf das Testament beruft. Zweifel gehen zu seinen Lasten.
Was sind zulässige Beweismittel?
Zulässig sind insbesondere:
- Fotokopien oder digitale Abbildungen des Testaments
- Zeugenaussagen, insbesondere von Personen, die beim Verfassen anwesend waren
- schriftliche Aufzeichnungen des Erblassers über seine Testierabsicht
Die Gerichte stellen dabei hohe Anforderungen an die Qualität der Beweismittel. Entscheidend ist, dass die Formvorschriften des § 2247 BGB (bei privatschriftlichem Testament) oder der entsprechenden notariellen Normen zweifelsfrei erfüllt sind.
Strenge Maßstäbe an die Beweisführung: Entscheidung des OLG Brandenburg
In dem zugrunde liegenden Fall vor dem OLG Brandenburg (Beschluss vom 31.03.2025 – 3 W 53/24) wurde ein angeblich vom Erblasser errichtetes handschriftliches Testament vom 20.07.2018 vorgetragen – allerdings nur in Kopie. Die Ehefrau des Erblassers hatte das Testament im Original nicht mehr auffinden können, berief sich aber dennoch auf eine Kopie sowie einen Zeugen, der bei der Testamentsunterzeichnung zugegen gewesen sei.
Das Amtsgericht hatte die Alleinerbenstellung der Ehefrau zunächst bejaht. Das OLG Brandenburg hob diesen Beschluss jedoch auf. Das Gericht betonte, dass trotz der grundsätzlichen Möglichkeit eines Nachweises durch Kopie und Zeugenaussagen strenge Anforderungen an die Überzeugungskraft der Beweismittel zu stellen seien. Die Widersprüche in den Aussagen, das Verhalten der Ehefrau nach dem Todesfall (zunächst hatte sie erklärt, es gebe kein Testament), sowie fehlende nachvollziehbare Informationen zum Ablageort des Dokuments führten im Ergebnis zu nicht ausräumbaren Zweifeln an der Echtheit und Errichtung des Testaments.
Keine Widerrufsvermutung bei bloßem Verschwinden
Die Entscheidung hebt jedoch auch hervor, dass keine gesetzliche Vermutung für einen Widerruf nach § 2255 BGB besteht, wenn ein Testament verschwunden ist. Diese Vermutung greift nur, wenn feststeht, dass der Erblasser das Testament selbst vernichtet hat – etwa durch eine eindeutige Handlung mit entsprechender Absicht.
In solchen Fällen sind alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Es kommt darauf an, ob die Tatsachengerichte mit dem nach § 37 FamFG erforderlichen Maß an Überzeugung davon ausgehen können, dass der Erblasser das Testament tatsächlich errichtet hat und es bis zu seinem Tod auch weiterhin gelten sollte.
Fazit: Die Existenz eines verschwundenen Testaments ist beweisbar – aber schwierig
Ein nicht auffindbares Testament ist nicht automatisch ungültig. Die Erbenstellung kann auch auf Basis einer Kopie und ergänzender Beweismittel wie Zeugenaussagen geltend gemacht werden. Allerdings gelten hierfür besonders strenge Anforderungen, insbesondere wegen der formellen Strenge des deutschen Testamentsrechts. Die Beweislast liegt stets bei derjenigen Person, die sich auf das verschwundene Testament beruft.
In der Praxis sollte daher, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden, stets dafür gesorgt werden, dass das Testament sicher verwahrt oder sogar amtlich hinterlegt wird. So lässt sich sicherstellen, dass der letzte Wille des Erblassers auch tatsächlich umgesetzt wird.
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