Mit Urteil vom 18. Dezember 2024 (Az. IV ZR 151/23) hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass Klauseln in D&O-Versicherungsverträgen, die den Versicherungsschutz bei Insolvenzantragstellung automatisch beenden, unwirksam sind. Diese Entscheidung stärkt maßgeblich die Position von Geschäftsführern, Vorständen, Aufsichtsräten und Insolvenzverwaltern und wirkt sich spürbar auf die Vertragsgestaltung von Versicherungen aus.
1. Sachverhalt im Überblick
Ein Insolvenzverwalter hatte aus einer D&O-Police Leistungen geltend gemacht, nachdem Forderungen gegen ehemalige Organmitglieder durchgesetzt wurden. Die Versicherung verweigerte die Zahlung mit dem Argument, der Vertrag sei automatisch mit Ende der Versicherungsperiode geendet, in der der Insolvenzantrag gestellt wurde. Zudem sei eine Nachmeldefrist ausgeschlossen gewesen.
2. Kernerkenntnis des BGH
Der BGH erklärte folgende Regelungen für unwirksam:
- Automatische Vertragsbeendigung bei Insolvenzantragstellung – sie verletzt die gesetzliche Mindestkündigungsfrist gemäß § 11 Abs. 1, 3 VVG.
- Ausschluss der Nachmeldefrist – widerspricht dem transparenten Claims-made-Prinzip gemäß § 307 BGB und schränkt den Versicherungsschutz in unvertretbarer Weise ein.
Hintergrundgesetzliche Regelungen
- § 11 Abs. 1, 3 VVG: Mindest-Kündigungsfrist von einem Monat bei ordentlichen Kündigungen.
- § 18 VVG: Halbzwingende Vorschriften, Abweichungen zum Nachteil des Versicherungsnehmers nur eingeschränkt erlaubt.
- § 307 BGB: Inhaltskontrolle bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen – Benachteiligung unangemessen.
3. Rechtliche Würdigung
Durch das Urteil setzt der BGH klare Grenzen gegen benachteiligende Vertragsklauseln zulasten des Versicherungsnehmers. Die Begründung beruht auf folgenden rechtsdogmatischen Ansätzen:
- Schutzzweck der Kündigungsfrist: Verhindert abrupten Verlust des Versicherungsschutzes; Organmitglieder erhalten Zeit, neue Deckung zu organisieren (§ 11 VVG).
- Transparenzgebot beim Claims-made-Modell: Nachmeldefristen dürfen nicht unkenntlich gemacht oder ausgeschlossen werden; dies widerspricht dem Versicherungszweck (§ 307 BGB).
- Halbzwingende Normen im VVG: § 18 VVG erlaubt nur begrenzte Abweichungen zulasten des Versicherungsnehmers.
4. Verankerung in der Rechtsprechung
Das Urteil reiht sich ein in die BGH-Jurisprudenz zugunsten einer ausgewogenen Vertragsdurchsetzung. In früheren Entscheidungen (etwa IV ZR 298/06) betonte der Senat bereits den Vorrang des gesetzlichen Schutzes bei Kündigungsfristen.
5. Fazit – Ein Gewinn für Rechtssicherheit und Haftungsprävention
Das BGH-Urteil vom 18. Dezember 2024 (IV ZR 151/23) stellt einen bedeutenden Fortschritt im Versicherungs- und Insolvenzrecht dar. Es sichert Organmitgliedern und Insolvenzverwaltern eine verlässliche D&O-Deckung – selbst in Krisenzeiten – und zwingt Versicherer, transparente und faire Vertragsbedingungen zu formulieren. Für Unternehmen und Führungskräfte gilt daher: bestehende Versicherungsverträge zeitnah überprüfen, gegebenenfalls anpassen und eindeutige Nachhaftungsklauseln verankern.