Eltern tun oft unendlich viel für ihre Kinder: Sie schenken Liebe, Fürsorge, finanzieren Ausbildung und Studium – und wenn es die wirtschaftlichen Verhältnisse zulassen, unterstützen sie ihre Kinder sogar beim Start ins eigene Leben. Nicht selten gibt es dann eine großzügige Anschubfinanzierung für den Erwerb einer Immobilie. Steuerlich ist das auch kein Problem, denn Eltern dürfen ihren Kindern bis zu 400.000 € pro Elternteil alle zehn Jahre steuerfrei schenken.
Doch was passiert, wenn die Rollen vertauscht sind? Wenn die Eltern ihr Leben lang zurückgesteckt haben, um den Kindern eine gute Ausbildung zu ermöglichen – und das nun erfolgreiche Kind den Spieß umdreht und seinen Eltern etwas zurückgeben möchte? Dann reibt sich der Fiskus die Hände, denn in umgekehrter Richtung gilt nur ein Freibetrag von 20.000 €. Alles, was darüber hinausgeht, wird der Schenkungsteuer unterworfen. Eine Regelung, die bei näherer Betrachtung Fragen aufwirft.
1. Gesetzliche Grundlage und steuerliche Unterschiede
Die steuerliche Behandlung von Schenkungen richtet sich nach dem § 16 ErbStG. Dieser sieht großzügige Freibeträge für Kinder und Ehegatten vor, während Eltern oder Geschwister mit einem Bruchteil dessen auskommen müssen.
Konkret bedeutet das:
- Eltern können ihren Kindern bis zu 400.000 € steuerfrei schenken.
- Kinder hingegen dürfen ihren Eltern nur bis zu 20.000 € steuerfrei zuwenden.
- Zwischen Geschwistern liegt der Freibetrag ebenfalls bei 20.000 €.
Damit ist klar: Das Steuerrecht begünstigt den klassischen Vermögensfluss von oben nach unten. Wer jedoch seine Eltern unterstützen möchte, stößt rasch an steuerliche Grenzen.
2. Gesellschaftliche Realität: Ein veraltetes Familienbild
Die derzeitige Regelung spiegelt ein Familienbild wider, das längst überholt ist. Sie orientiert sich an der Annahme, dass Eltern stets über mehr Vermögen verfügen als ihre Kinder und dieses später vererben oder verschenken. Doch die gesellschaftliche Realität hat sich verändert:
Immer häufiger sind es gerade die Kinder, die im Erwerbsleben finanziell gut aufgestellt sind und ihren Eltern unter die Arme greifen – sei es bei der Altersvorsorge, bei der Pflege oder beim Erwerb einer altersgerechten Wohnung.
Auch innerhalb der erweiterten Familie zeigt sich ein Wandel: Geschwister unterstützen einander, übernehmen Pflegekosten oder leisten finanzielle Hilfen. Dass solche Hilfen steuerlich kaum günstiger behandelt werden als Zuwendungen an völlig fremde Dritte, wirkt in einer modernen Gesellschaft anachronistisch.
3. Ungleichgewicht und Gerechtigkeitsfragen
Die bestehende Rechtslage führt zu einer deutlichen Ungleichbehandlung:
- Während Kinder hohe Steuerfreibeträge nutzen können, trifft Eltern eine ungleich höhere steuerliche Belastung, wenn sie Unterstützung von ihren Kindern erhalten.
- Die steuerliche Ungleichbehandlung konterkariert den politischen Anspruch, familiäre Solidarität zu fördern und Eigenverantwortung zu stärken.
- Gerade im Bereich der Pflege älterer Menschen oder bei barer Unterstützung zur Vermeidung von Altersarmut ist die Regelung kontraproduktiv.
Das Steuerrecht soll zwar Missbrauch verhindern, etwa durch wechselseitige Vermögensverschiebungen zwischen Generationen. Doch der pauschale Ansatz einer so starken Ungleichbehandlung überzeugt nicht mehr. Er basiert auf einem gesellschaftlichen Leitbild, das mit der heutigen Wirklichkeit kaum noch etwas zu tun hat.
4. Reformbedarf: Zeit für eine neue Generationengerechtigkeit
Wenn die Politik ernsthaft den familiären Zusammenhalt stärken will, muss das Steuerrecht diesen Zusammenhalt auch steuerlich ermöglichen. Drei Reformansätze drängen sich auf:
a. Erhöhung des Freibetrags für Eltern
Ein Freibetrag von 20.000 € ist realitätsfern. Angesichts steigender Lebenshaltungskosten und Immobilienpreise sollte der Freibetrag für Eltern deutlich angehoben werden – etwa auf 100.000 € oder mehr.
b. Differenzierung nach Zuwendungszweck
Nicht jede Schenkung verfolgt denselben Zweck. Finanzielle Unterstützung bei Pflege, altersgerechtem Umbau oder Wohnraumsicherung sollte gesondert begünstigt werden. So könnten gezielte Anreize für familiäre Hilfe geschaffen werden.
c. Anpassung an moderne Familienstrukturen
Familien sind heute vielfältig. Patchwork-, Pflege- oder Mehrgenerationenfamilien sollten steuerlich nicht schlechter gestellt sein als klassische Eltern-Kind-Konstellationen. Eine Reform des ErbStG könnte diesem Wandel Rechnung tragen.
5. Rechtsprechung und politische Diskussion
In der Rechtsprechung wurde die asymmetrische Ausgestaltung der Freibeträge bislang hingenommen, da der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum besitzt. Die Gerichte betonen regelmäßig, dass die Freibeträge politische Entscheidungen darstellen. Gleichwohl mehren sich in der Literatur und Steuerberatung Stimmen, die eine Überprüfung fordern.
Die ungleiche steuerliche Behandlung von Eltern und Kindern steht im Spannungsfeld zwischen Steuervereinfachung, Gleichbehandlung und gesellschaftlicher Realität. Politisch wird zwar immer wieder über „Generationengerechtigkeit“ gesprochen – das Steuerrecht bleibt dieser Idee jedoch bisher schuldig.
6. Handlungsempfehlung für Schenkungen innerhalb der Familie
Wer seine Eltern finanziell unterstützen möchte, sollte dies vorausschauend gestalten:
- Prüfen Sie die Höhe des noch verfügbaren Freibetrags und die zeitliche Staffelung (10-Jahres-Regel).
- Bei größeren Zuwendungen können Schenkungen in Teilbeträge aufgeteilt werden, um Freibeträge mehrfach zu nutzen.
- Alternativ kann die Unterstützung über ein zinsloses Darlehen erfolgen, das zu einem späteren Zeitpunkt erlassen wird.
- Auch Nießbrauchsrechte oder Wohnrechte an Immobilien können steuerlich interessante Gestaltungsmöglichkeiten bieten.
Eine frühzeitige steuerliche und rechtliche Beratung ist hier unerlässlich, um Gestaltungsspielräume optimal zu nutzen und steuerliche Nachteile zu vermeiden.
Besonders fatal kann es sein, wenn Kinder Geld, dass sie geschenkt bekommen haben, irgendwann wieder zurück schenken. Wenn nicht bereits zum Zeitpunkt Übertragung sicher ist, dass der schenkende Elternteil finanziell so unabhängig ist, dass er nicht in die Verlegenheit kommt, nun seinerseits eine Schenkung von seinem Kind zu erhalten, dann könnte beispielsweise die Anschubfinanzierung für die Immobilie auch als Darlehen gewährt werden. So bleibt die Möglichkeit offen, dass der Betrag ganz oder teilweise, ohne dass Probleme mit der Schenkungsteuer auftauchen, wieder zurückfließen kann.
Fazit
Das deutsche Schenkungsteuerrecht hält an einem Familienbild fest, das längst nicht mehr der Lebenswirklichkeit entspricht. Während Kinder großzügig von steuerfreien Zuwendungen profitieren, werden Eltern und Geschwister bei umgekehrten Unterstützungsleistungen mit einer fast symbolischen Freigrenze, wie familienfremde Dritte, abgespeist.
Aus anwaltlicher Sicht ist dies weder zeitgemäß noch gerecht. Der Gesetzgeber sollte die Freibeträge überdenken und den steuerlichen Rahmen so gestalten, dass familiäre Verantwortung in beide Richtungen gefördert – und nicht bestraft – wird.
Wer seine Angehörigen unterstützen möchte, sollte sich frühzeitig rechtlich beraten lassen, um legale Gestaltungsmöglichkeiten auszuschöpfen und die Schenkung steueroptimal zu strukturieren.


