Die Pflichtteilsstrafklausel ist ein typisches Instrument im sogenannten Berliner Testament. Sie soll verhindern, dass ein Kind nach dem Tod des ersten Ehegatten den Pflichtteil geltend macht und damit den überlebenden Ehepartner wirtschaftlich belastet. In der Regel sehen solche Klauseln vor, dass derjenige, der den Pflichtteil verlangt, nach dem Tod des zweiten Ehegatten enterbt wird und ebenfalls nur noch den Pflichtteil erhält. Doch wie wirkt sich eine solche Klausel auf das Erbrecht und den Grundbuchvollzug aus? Darf das Grundbuchamt auch dann zum Nachweis des Erbrechts einen Erbschein verlangen, wenn sich das Erbrecht aus einem notariellen Testament ergibt?
1. Rechtlicher Hintergrund: Grundbuchberichtigung nach §§ 22, 35 GBO
Nach § 22 Abs. 1 GBO kann das Grundbuch berichtigt werden, wenn es unrichtig ist – etwa weil der eingetragene Eigentümer verstorben ist. Der Nachweis der Erbfolge ist dabei gemäß § 35 Abs. 1 GBO grundsätzlich durch einen Erbschein zu führen. Eine Ausnahme regelt Satz 2: Ist die Erbfolge durch eine öffentliche letztwillige Verfügung – etwa ein notarielles Testament – belegt, genügt diese gemeinsam mit der Eröffnungsniederschrift des Nachlassgerichts.
2. Das Problem mit der Nachweisführung bei Pflichtteilsverlangen
Bei Pflichtteilsstrafklauseln ergibt sich häufig das Problem, dass nicht eindeutig aus dem Testament hervorgeht, ob der eingesetzte Erbe seinen Pflichtteil geltend gemacht hat – was zum Verlust des Erbteils führen kann. Das Grundbuchamt verlangt daher gelegentlich zusätzliche Nachweise, wie z. B. eine eidesstattliche Versicherung oder einen Erbschein. Doch ist das rechtlich zulässig?
3. Entscheidung des Kammergerichts Berlin vom 28.01.2025 (Az. 1 W 37/25)
In dem vom Kammergericht entschiedenen Fall verlangte das Grundbuchamt zunächst eine eidesstattliche Versicherung über das Nichtgreifen der Pflichtteilsstrafklausel, später dann sogar einen Erbschein. Das Kammergericht stellte klar: Ein Erbschein ist nicht erforderlich, wenn das gemeinschaftliche Testament und die Eröffnungsniederschrift vorliegen und keine konkreten Anhaltspunkte für ein Pflichtteilsverlangen oder ein späteres Testament des überlebenden Ehegatten bestehen. Das bloße Bestehen einer Pflichtteilsstrafklausel reicht nicht aus, um Zweifel am Erbrecht zu begründen.
4. Abgrenzung: Wann genügt ein Testament – wann ist ein Erbschein erforderlich?
Ein Erbschein ist nur dann erforderlich, wenn konkrete Umstände das im Testament bezeugte Erbrecht in Frage stellen – etwa weil der Erbe namentlich nicht bezeichnet ist oder ein nachträgliches Testament existiert. Eine theoretische Möglichkeit, dass ein neues Testament existieren könnte, genügt nach dem Kammergericht nicht. Andernfalls würde § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO praktisch leerlaufen.
5. Fazit: Pflichtteilsstrafklauseln müssen nicht zur Vorlage eines Erbscheins führen
Die Entscheidung des Kammergerichts bringt Klarheit für Erben und Grundbuchämter: Pflichtteilsstrafklauseln führen nicht automatisch zur Notwendigkeit eines Erbscheins. Liegen Testament und Eröffnungsniederschrift vor, und bestehen keine Anhaltspunkte für ein Pflichtteilsverlangen oder ein neues Testament, kann das Grundbuch berichtigt werden. Für Testierende bedeutet das: Klar formulierte Klauseln vermeiden spätere Unsicherheiten. Für Erben vereinfacht sich der Nachweis des Erbrechts erheblich.
Unsere Kanzlei unterstützt Sie gerne bei der rechtssicheren Gestaltung von Testamenten und der Durchsetzung Ihrer Erbrechte – sprechen Sie uns an.