Die Rückforderung von Corona-Soforthilfen stellt viele Solo-Selbstständige und kleine Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen – oft Jahre nach dem Erhalt der Hilfen. Nach dem Ende der Pandemie prüfen Bund und Länder systematisch, ob die gewährten Zuschüsse tatsächlich für einen coronabedingten Liquiditätsengpass benötigt wurden. Das Ergebnis: Viele Unternehmer sollen teilweise oder vollständig erstatten. Doch nicht jede Rückforderung ist rechtmäßig. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Rückzahlung ganz oder teilweise erlassen werden. In diesem Beitrag erfahren Sie, wann ein Anspruch auf Erlass besteht, wie sich dieser vom Stundungsantrag unterscheidet und welche Regeln in Bund und Ländern gelten.
Überblick: Warum werden Corona-Soforthilfen zurückgefordert?
Die Corona-Soforthilfe war ein schnelles, unbürokratisches Hilfsprogramm, das 2020 aufgelegt wurde. In den meisten Bundesländern wurde sie als Billigkeitsleistung auf Grundlage von § 53 BHO bzw. der entsprechenden Landeshaushaltsordnung gewährt. Sie diente der Überbrückung akuter Liquiditätsengpässe, die durch die Pandemie verursacht wurden. Die Antragstellung beruhte auf einer Prognose – ob tatsächlich ein solcher Engpass eingetreten ist, wurde nachträglich überprüft (Rückmeldeverfahren).
Lag eine Überkompensation vor, also mehr Hilfe als wirtschaftliche Not, wurden Widerrufs- und Rückforderungsbescheide erlassen. Die Empfänger mussten dann entweder zurückzahlen, eine Stundung beantragen oder – in besonders gelagerten Fällen – einen Erlassantrag stellen. Doch wann genau muss die Behörde auf eine Rückforderung verzichten?
Gesetzliche Grundlage: § 59 BHO / Art. 59 LHO
Ein Erlass ist nur in engen Ausnahmefällen möglich. Maßgebliche Vorschrift ist § 59 Abs. 1 Nr. 3 BHO (bzw. die entsprechenden Vorschriften der Landeshaushaltsordnungen wie z. B. Art. 59 BayHO). Danach kann eine Forderung ganz oder teilweise erlassen werden, wenn ihre Einziehung nach Lage des Einzelfalls unbillig wäre.
Der Gesetzgeber verlangt also:
- Einzelfallprüfung
- Unzumutbarkeit der Einziehung
- Fehlende Alternativen wie Stundung oder Niederschlagung
Voraussetzungen für den Erlass: Wann liegt eine unbillige Härte vor?
Ein Erlass kommt vor allem in Betracht, wenn der Betroffene sich in einer unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage befindet und die Rückzahlung zu einer Existenzgefährdung führen würde. Die Praxis unterscheidet hier zwei Fallgruppen:
- Private Existenzgefährdung: Der Unternehmer kann seinen Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten.
- Betriebliche Existenzgefährdung: Das Unternehmen müsste bei Rückzahlung eingestellt oder in Insolvenz geführt werden.
Beispielhafte Schwellenwerte (Bayern):
- Jahreseinkommen < 25.000 € (Alleinstehende) bzw. < 30.000 € (mit Unterhaltspflicht)
- Kein verwertbares Vermögen über Schonvermögen hinaus
- Keine Zumutbarkeit, jährlich 5.000 € zurückzuzahlen
Abgrenzung zur Stundung und Ratenzahlung
Ein häufiger Irrtum besteht darin, dass bereits eine Stundung oder Ratenzahlung als Erlass verstanden wird. Tatsächlich handelt es sich um verschiedene Instrumente:
Vergleich: Erlass, Stundung und Ratenzahlung
Maßnahme | Ziel | Voraussetzungen | Rechtsfolgen |
---|---|---|---|
Stundung | Aufschub der Fälligkeit der Rückzahlung | Vorübergehende Liquiditätsprobleme, später Zahlung möglich | Zahlungspflicht bleibt bestehen; spätere Zahlung (ggf. mit Zinsen) |
Ratenzahlung | Teilweise Zahlungserleichterung über einen Zeitraum | Zahlungsfähigkeit in kleineren monatlichen Beträgen gegeben | Forderung bleibt bestehen; Rückzahlung erfolgt gestreckt |
Erlass | Endgültiger Verzicht auf die Rückforderung (ganz oder teilweise) | Einziehung wäre unzumutbar, z. B. bei Existenzgefährdung | Forderung entfällt vollständig oder anteilig |
Unterschiede zwischen Bundes- und Landesprogrammen
- Bayern: Klare Regeln, Online-Antrag, Einkommensgrenzen, fester Maßstab (z. B. 5.000 €/Jahr Regelrate)
- NRW: Rückforderungsbescheide wurden überarbeitet; nun auch Erlass bei nachgewiesener Härte möglich
- Bundesprogramme (z. B. Neustarthilfe): Formell nach BHO, Erlass eher selten, dafür großzügige Ratenregelungen (bis zu 24 Monate)
Rechtsprechung: Verwaltungsgerichte fordern Einzelfallprüfung
- BayVGH, Beschl. v. 27.03.2025 – 21 ZB 24.514: Rückforderung bei fehlendem Liquiditätsengpass rechtmäßig, aber Ermessensspielraum für Billigkeitsmaßnahmen muss genutzt werden.
- VG Karlsruhe, Urt. v. 14.10.2024 – 14 K 2955/23: Bescheid fehlerhaft, weil Zweckbindung missverstanden wurde. Keine pauschale Ablehnung zulässig.
- OVG NRW, Urt. v. 17.03.2023 – 4 A 198/21: Rückforderung durch automatisierte Bescheide war rechtswidrig – Einzelfallprüfung zwingend erforderlich.
Fazit: Ein Antrag kann sich lohnen
Auch wenn es keinen festen Rechtsanspruch auf Erlass gibt, bestehen in vielen Fällen gute Argumentationsmöglichkeiten, den Rückforderungsbescheid anzugreifen – vor allem, wenn wirtschaftliche Härten drohen. Entscheidend ist eine gut dokumentierte Antragstellung. Sollten Sie eine Ablehnung erhalten, kann diese vor dem Verwaltungsgericht überprüft werden.
Unser Rat: Warten Sie nicht, bis die Vollstreckung droht. Lassen Sie sich rechtzeitig beraten. Gerne unterstützen wir Sie bei der Prüfung Ihrer Rückforderung und beim Antrag auf Stundung oder Erlass.