Die spannendsten Geschichten schreibt das Leben. Eine solche bemerkenswerte Geschichte ist gerade wieder einmal auf dem Schreibtisch des Verfassers gelandet: Ein Finanzberater, der das Vermögen eines Erblassers verwaltete und bereits zu dessen Lebzeiten eine Generalvollmacht besaß, erschlich sich das Vertrauen des Verstorbenen. Als der seit längerem gesundheitlich stark angeschlagene Erblasser starb, befand sich seine Frau im Ausland. Der Berater versicherte ihr, eine Rückkehr sei nicht eilig, da er sich als Testamentsvollstrecker um alles kümmern werde genüge es, wenn sie zur Beerdigung komme.
Bei ihrer Rückkehr stellte die Witwe schockiert fest, dass sie nicht nur keinen Kontozugriff mehr hatte, sondern auch das gemeinsame Familienheim am Starnberger See nicht betreten konnte – der Berater hatte die Schlösser ausgetauscht. Dreist behauptete er, er sichere sein Eigentum, da er das Haus erben werde. Sie habe in dem Haus nichts mehr zu suchen. Die nun mittellose Frau war fassungslos. Noch größer war ihr Entsetzen, als sie erfuhr, dass der Erblasser das Testament geändert hatte: Sie und sein Sohn waren zwar Erben, doch das Familienheim und ein siebenstelliger Betrag gingen per Vermächtnis an den Finanzberater, ein weiterer siebenstelliger Betrag an dessen Lebensgefährtin. Damit aber nicht genug. Der Berater war auch als Testamentsvollstrecker eingesetzt, was ihm die Verfügungsgewalt über den Nachlass verschaffte. Gleichzeitig war im Testament angeordnet, dass er auch dafür noch ordentlich aus dem Nachlass entlohnt werden solle. Noch vor seiner offiziellen Ernennung hatte er in einem Insichgeschäft einen notariellen Vertrag abgeschlossen, der ihm das Alleineigentum an der Immobilie übertrug.
Eine perfide Inszenierung, um die Familie zu übervorteilen und sich selbst in eine unangreifbare Position zu bringen.
Testamentsvollstreckung: Schutz oder Machtinstrument?
Die Testamentsvollstreckung dient eigentlich dem Schutz der Erben – insbesondere in schwierigen Nachlasskonstellationen. Doch wenn derjenige, der als Testamentsvollstrecker eingesetzt ist, gleichzeitig selbst Vermächtnisnehmer ist und sich selbst Grundstücke und Geldbeträge in Millionenhöhe zuspricht, dann gerät das System an seine Grenzen. Gerade wenn – wie in vielen Fällen – die Bestellung des Testamentsvollstreckers auf einem mutmaßlich manipulierten oder zweifelhaften Testament beruht, stellt sich die Frage:
Was können die betroffenen Angehörigen tun?
Rechtliche Möglichkeiten, wenn etwas nicht stimmt
1. Entlassung des Testamentsvollstreckers
Ein Testamentsvollstrecker kann entlassen werden, wenn er sich als ungeeignet erweist. Wer die Schlösser austauscht, Erben aussperrt oder seine Stellung missbraucht, um sich selbst Rechte zu verschaffen, erfüllt in aller Regel diese Voraussetzungen. Ein entsprechender Antrag kann beim Nachlassgericht gestellt werden – gestützt auf § 2227 BGB.
2. Anfechtung des Testaments
Ein Testament kann angefochten werden, wenn es unter Irrtum, Täuschung oder Drohung zustande gekommen ist – oder wenn der Erblasser nicht mehr testierfähig war, etwa wegen psychischer Erkrankungen, Alkoholabhängigkeit oder Medikation. Maßgeblich ist hier § 2078 BGB für die Anfechtung sowie § 2229 Abs. 4 BGB zur Testierfähigkeit.
3. Pflichtteilsrecht statt Erbteil
Wer als Erbe eingesetzt wurde, aber de facto kaum etwas erhält, weil große Teile des Nachlasses durch Vermächtnisse entzogen wurden, kann das Erbe ausschlagen und stattdessen den Pflichtteil geltend machen. Dieser beträgt bei Ehegatten neben einem Kind ein Viertel des Nachlasswertes, wie sich aus § 1931 BGB, § 1371 BGB und § 2303 BGB ergibt.
4. Einstweiliger Rechtsschutz und Grundbuchsperre
Wenn ein Vermächtnisnehmer versucht, sich vorzeitig den Besitz an Immobilien zu sichern – etwa durch Schlosswechsel oder Eintragungsanträge im Grundbuch – können gerichtliche Eilverfahren helfen. Auch eine einstweilige Verfügung zur Wiedereinräumung des Besitzes oder ein Antrag auf Grundbuchsperre kommt in Betracht, insbesondere in Verbindung mit § 861 BGB und § 899 BGB.
Fazit: Vorsicht bei Vermächtnissen und Vollmachten
Wenn vertraute Personen aus dem Umfeld des Erblassers – etwa der Bankberater, Steuerberater oder Pfleger – im Testament plötzlich großzügig bedacht werden, ist Skepsis geboten. Besonders wenn diese Personen zusätzlich mit umfassenden Vollmachten ausgestattet waren oder nun als Testamentsvollstrecker auftreten, muss geprüft werden, ob hier nicht eine missbräuchliche Einflussnahme vorliegt.
Betroffene Angehörige sollten nicht zögern, sich anwaltlich beraten zu lassen – denn gerade in den ersten Wochen nach dem Todesfall können entscheidende Weichen gestellt werden.