Arbeitszeugnisse zählen zu den zentralen Dokumenten im Berufsleben. Sie können Türen öffnen – oder verschließen. Doch wie verlässlich sind sie wirklich? Dieser Beitrag zeigt auf, welche Rechte Arbeitnehmer beim Erhalt eines Zeugnisses haben, welche Pflichten Arbeitgeber bei der Ausstellung beachten müssen und weshalb allzu positive Zeugnisse kritisch gesehen werden sollten.
1. Anspruch auf ein wohlwollendes Zeugnis
Arbeitnehmer haben bei Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses einen gesetzlichen Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Die maßgebliche Rechtsgrundlage findet sich in § 109 Gewerbeordnung (GewO). Für Auszubildende gilt § 16 Berufsbildungsgesetz (BBiG).
Man unterscheidet zwischen dem einfachen Zeugnis, das lediglich Art und Dauer der Tätigkeit bestätigt, und dem qualifizierten Zeugnis, das zusätzlich Leistung und Verhalten beurteilt. Leitend sind die Grundsätze der Zeugniswahrheit, Zeugnisklarheit und des Wohlwollens: Das Zeugnis soll das berufliche Fortkommen nicht unnötig erschweren, zugleich aber ein inhaltlich zutreffendes Bild zeichnen.
2. Anforderungen an Arbeitgeber
Form und Aufbau: Ein Arbeitszeugnis ist schriftlich auszustellen, zu datieren und von einer vertretungsberechtigten Person zu unterschreiben. Üblich ist eine klare Struktur mit Einleitung (Vorstellung des Unternehmens und der Beschäftigungsdaten), detaillierter Tätigkeitsbeschreibung, Leistungsbeurteilung, Verhaltensbewertung sowie einer abschließenden Schlussformel.
Zeugnisklarheit: Doppeldeutige oder verschlüsselte Formulierungen sind unzulässig. Die Darstellung muss sprachlich eindeutig, sachlich und konsistent sein. Stilistische Mittel, die verdeckt negative Aussagen transportieren, sind zu vermeiden.
Wahrheit und Wohlwollen: Kritische Aspekte dürfen nur dann aufgenommen werden, wenn sie für die Gesamtbeurteilung erheblich sind. Der Spagat zwischen ehrlicher Bewertung und fairer, förderlicher Darstellung verlangt eine sorgfältige Abwägung. Unbelegte Pauschalkritik ist fehl am Platz; umgekehrt darf das Zeugnis nicht durch Übertreibungen ein unrealistisches Leistungsbild erzeugen.
Schlussformel: Dankes-, Bedauerns- und Wunschformeln sind weit verbreitet, aber rechtlich nicht zwingend geschuldet. Sie beeinflussen gleichwohl die Gesamtwirkung des Zeugnisses und sollten – wenn verwendet – in sich stimmig zur übrigen Bewertung passen.
3. Vorsicht bei allzu guten Zeugnissen
In der Praxis setzen Arbeitnehmer im Rahmen arbeitsgerichtlicher Kündigungsschutzverfahren nicht selten sehr gute – mindestens aber gute – Zeugnisse im Vergleichswege durch. Arbeitgeber stimmen dem oft aus pragmatischen Gründen zu, und Gerichte protokollieren derartige Einigungen ohne vertiefte Sachprüfung. Das Ergebnis: Auch bei tatsächlich durchschnittlicher oder unterdurchschnittliche Leistung kann auf dem Papier ein Spitzenzeugnis entstehen. Personalverantwortliche sollten daher die Plausibilität prüfen: Deckt sich das Zeugnis mit dem Lebenslauf? Häufen sich Kurzbeschäftigungen, häufige Wechsel oder inhaltlich heterogene Stationen, spricht dies für eine vertiefte Einordnung statt eines unkritischen Vertrauens in die Endnote.
4. Weitere wichtige Aspekte rund um das Arbeitszeugnis
Zwischenzeugnis: Ein Zwischenzeugnis kommt insbesondere bei Vorgesetztenwechsel, Versetzung, Betriebsübergang, längerer Abwesenheit oder beabsichtigter Bewerbung in Betracht. Später ausgestellte Endzeugnisse orientieren sich regelmäßig am Zwischenzeugnis, sofern sich die Beurteilungsgrundlage nicht wesentlich verändert hat.
Fristen: Der Zeugnisanspruch verjährt nach den allgemeinen Regeln des § 195 BGB in drei Jahren. Daneben können arbeits- oder tarifvertragliche Ausschlussfristen gelten, die eine frühere Geltendmachung erfordern. Es empfiehlt sich daher, den Anspruch zeitnah nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durchzusetzen.
Beweislast: Für die „Standardnote“ im mittleren Bereich (etwa „befriedigend“) spricht häufig eine tatsächliche Vermutung. Verlangt der Arbeitnehmer eine bessere Bewertung, sollte er überdurchschnittliche Leistungen konkret darlegen können. Umgekehrt gilt: Weicht der Arbeitgeber nach unten ab, muss er tragfähige Gründe vortragen und – sofern streitig – beweisen.
Sprache und Wirkung: Die Zeugnissprache ist standardisiert. Feinheiten entscheiden über Notenstufen: Zusätze wie „stets“ oder „vollsten“ heben die Bewertung, fehlen sie, sinkt die Note. Wichtig ist die innere Konsistenz zwischen Tätigkeitsumfang, Verantwortungsgrad, Erfolgsbeispielen und Endnote.
Inhaltliche Konsistenz: Ein qualitativ gutes Zeugnis benennt zentrale Aufgaben, messbare Erfolge und fachliche wie soziale Kompetenzen. Schlagworte ohne Substanz wirken austauschbar. Empfehlenswert sind kurze, präzise Leistungsbelege (z. B. Projektverantwortung, Budgetgrößen, nachweisbare Verbesserungen).
Formale Anforderungen: Keine handschriftlichen Korrekturen, sauberes Layout, neutrales Firmenpapier, korrekte Daten und Namen. Unstimmigkeiten oder Formfehler schwächen die Aussagekraft und können berechtigte Berichtigungsansprüche auslösen.
Fazit
Arbeitszeugnisse bleiben ein wichtiges, aber nicht allein entscheidendes Beurteilungsinstrument. Der gesetzliche Anspruch sichert eine faire, wahrheitsgemäße und wohlwollende Darstellung – in der Praxis führen jedoch Vergleichslösungen nicht selten zu überdurchschnittlich positiven Bewertungen. Arbeitgeber sollten daher bei der Ausstellung auf Stringenz zwischen Aufgaben, Leistung und Endnote achten; Personalverantwortliche sollten Zeugnisse stets im Kontext des Lebenslaufs und der Stationen lesen. Für Bewerber gilt: Authentische, nachvollziehbare Erfolge und eine konsistente Darstellung überzeugen nachhaltiger als Superlative. So behalten Arbeitszeugnisse ihren Wert – als ehrliche, aussagekräftige Visitenkarte der beruflichen Leistung.