Pflichtteilsstrafklauseln sind ein beliebtes Instrument in gemeinschaftlichen Testamenten, um den überlebenden Ehegatten zu schützen. Doch wann wird eine solche Klausel ausgelöst? Muss ein Pflichtteilsberechtigter aktiv Forderungen stellen – oder genügt bereits die Annahme einer freiwilligen Geldzuwendung? Eine Entscheidung des OLG Braunschweig (Beschluss v. 13.02.2025 – 10 W 11/25) bringt nun mehr Klarheit.
Der Fall
In dem entschiedenen Fall hatten Eheleute im Jahr 1971 ein gemeinschaftliches Testament mit Pflichtteilsstrafklausel errichtet. Nach dem Tod des Ehemannes im Jahr 1976 erhielt die Tochter im Jahr 1981 von der überlebenden Ehefrau 110.000 EUR für den Bau eines Hauses. Diese Zahlung stand im Raum der Behauptung, sie habe damit Pflichtteilsansprüche geltend gemacht.
Der Sohn beantragte daraufhin, als Alleinerbe eingesetzt zu werden, da seine Schwester nach § 2 des Testaments durch ihr Verhalten die Pflichtteilsstrafklausel ausgelöst habe. Das Nachlassgericht und das OLG Braunschweig wiesen diesen Antrag zurück.
Voraussetzungen für die Auslösung einer Pflichtteilsstrafklausel
Die vom Gericht zu entscheidende Frage war, ob es maßgeblich auf den Kapitalfluss, also die objektive Schmälerung des Nachlasses oder das (ernsthafte) Zahlungsverlangen des Pflichtteilsberechtigten ankommt.
Keine Auslösung ohne ausdrückliches Verlangen
Das Gericht stellte klar: Die Klausel wird nicht durch eine freiwillige Zuwendung ausgelöst. Entscheidend ist ein ernsthaftes, aktives Verlangen des Pflichtteilsanspruchs. Dabei kommt es auf den objektiven Empfängerhorizont des überlebenden Ehegatten an.
Die Zuwendung von 110.000 EUR erfolgte ohne ausdrückliche Forderung und war – nach den Feststellungen des Gerichts – als familiäre Unterstützungsmaßnahme einzuordnen.
Maßgeblich ist die Ernsthaftigkeit der Forderung
Nach ständiger Rechtsprechung genügt es nicht, dass der Berechtigte um eine Zahlung bittet oder lediglich von seinem Pflichtteilsrecht weiß. Es muss ein klar erkennbarer Wille zur Geltendmachung bestehen.
Die rechtlichen Ziele von Pflichtteilsstrafklauseln
- Schutz des überlebenden Ehegatten: Die Hauptfunktion liegt im Schutz des überlebenden Ehegatten vor Vermögensverlust und Streitigkeiten – ein legitimes Anliegen, das auch von der Rechtsprechung anerkannt wird.
- Vermeidung familiärer Auseinandersetzungen: Zudem sollen frühzeitige Konflikte vermieden und der Nachlass ungeschmälert erhalten bleiben. Die Klausel wirkt damit auch friedensstiftend innerhalb der Erbengemeinschaft.
- Belohnung loyalen Verhaltens: Nicht zuletzt dienen solche Klauseln der Verteilungsgerechtigkeit, indem sie „loyales Verhalten“ der Schlusserben im ersten Erbfall honorieren.
Eine fehlerhafte oder mehrdeutige Formulierung kann hier erhebliche Folgen haben. Um dies zu vermeiden, empfiehlt sich eine individuelle erbrechtliche Beratung – insbesondere bei der Erstellung gemeinschaftlicher Testamente mit Strafklauseln.
Fazit und rechtliche Bewertung
Die Entscheidung des OLG Braunschweig verdeutlicht, dass eine Pflichtteilsstrafklausel nicht durch stillschweigende oder konkludente Handlungen ausgelöst wird. Es muss ein objektiv erkennbares, ernsthaftes Verlangen nach dem Pflichtteil vorliegen. Freiwillige familiäre Zuwendungen reichen nicht aus.
Für Testierende bedeutet das: Wer sich auf eine Pflichtteilsstrafklausel verlassen möchte, muss sie klar und unmissverständlich formulieren. Unklare Klauseln führen zu gerichtlichen Auslegungen, die vom mutmaßlichen Willen des Erblassers abhängig sind – mit ungewissem Ergebnis.
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